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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Dann schlug sie den entgegengesetzten Weg ein, erkundete seine Wirbelsäule. Auf halber Strecke hielten die Finger inne.
    Er hörte Hanna leise seufzen und biss die Zähne zusammen, um nichts zu sagen, um nicht schon wieder zu rufen: Erinnerst du dich? Und sie damit zu verschrecken. Als wäre ihre Hand ein scheuer Vogel, der sich auf ihm niedergelassen hatte, ohne zu wissen, dass er ein Mensch war.

21
    AKINK, MAGYRIA
    Immer noch konnte Mattim sich kaum bewegen, sein ganzer Körper schmerzte so sehr, dass er in jeder Sekunde an die Kletterei über dem Abgrund und den wilden Ritt zurück nach Akink erinnert wurde. Am liebsten hätte er sich in eine dunkle Ecke verkrochen, nachdem sie die Pferde zurückgebracht hatten und Hanna in Richtung Burg verschwunden war. Doch nachdem seine Mutter in Sicherheit war, musste er sich um das nächste Problem kümmern.
    Auf dem Weg zu Miritas Haus achtete Mattim sorgsam darauf, dass ihn kein anderer Schatten bemerkte.
    » Mattim, wo warst du!«, japste sie, sofort nachdem sie die Tür geöffnet hatte. » Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Du siehst furchtbar aus, weißt du das?«
    » Ich musste eine Weile untertauchen, um nachzudenken«, erklärte er. » Darf ich reinkommen?« Der Platz amKüchentisch war immer für ihn frei. » Du musst mir helfen.«
    » Gegen Kunun?« Ihre Stirn umwölkte sich. » Wozu willst du mich jetzt schon wieder anstiften?« » Es geht nicht um Kunun«, versicherte Mattim, » sondern darum herauszufinden, was hier passiert und was man dagegen tun kann. Nicht für mich oder für sonst wen, für Akink. Für Magyria. Du weißt selbst, wie übel es ausgehen kann, wenn plötzlich Mauern verschwinden.« An ihrer verhaltenen Reaktion merkte er, dass er richtig lag. » Was ist?«, bohrte er nach. » Was ist noch vorgefallen?«
    » Ein paar Häuser sind eingestürzt.« Unruhig wickelte Mirita sich eine Haarsträhne um den Finger, wieder und wieder. Es fehlte nur noch, dass sie darauf herumgekaut hätte. » Mattim, hör zu. Das geht dich nichts an. Du gehörst nicht hierher, du bist kein Schatten wie wir. Misch dich nicht ein, geh in die andere Welt und bleib dort.«
    » Hier stürzen Häuser ein, und ich soll drüben in Budapest ein ganz normales Leben führen? Du kennst mich besser, Mirita.«
    » Eben«, sagte sie. » Du glaubst jedes Mal, du müsstest etwas unternehmen, und dann geht alles erst recht schief und wird nur umso schlimmer.«
    » Wenn ich weiterforsche, wird dann die Königsburg einstürzen oder in Budapest landen?«
    » In Budapest landen? Wie meinst du das?«
    » Mirita.« Er sah sie eindringlich an. » Was hier verschwindet, taucht dort auf. Es ist, als hätte sich eine Pforte geöffnet und die Dinge fallen einfach hindurch.«
    » Das kann nicht sein«, flüsterte sie entsetzt.
    » So ist es aber. Verstehst du jetzt endlich? Magyria fällt in die andere Welt, und was das für Konsequenzen hat, für jene Welt wie für diese, weiß niemand, nicht einmal Kunun. Ich kann unmöglich die Hände in den Schoß legen und zusehen.«
    Sie hatte sich die nächste Locke vorgenommen. Ob ihre Haare so gewellt waren, weil sie eine Strähne nach der anderen bearbeitete? » Vorige Woche ist eine Schublade aus unserem Küchenschrank verschwunden. Lach nicht. Du meinst, sie ist irgendwo bei euch da drüben gelandet? Es ist ein unschönes Loch entstanden.«
    Er blickte an ihr vorbei auf den Schrank. Tatsächlich, eine Schublade fehlte. Leider konnte er seine Erheiterung nicht völlig unterdrücken, was Mirita mit einem wütenden Fauchen beantwortete. » Ich habe gesagt, lach nicht! Mein bestes Messer ist weg und die Löffel, die von meiner Großmutter.«
    » Ich nehme dich ja ernst, wirklich. Das ist nicht lustig, wenn Sachen in ominösen Pforten verschwinden. Ist hier jemand verwandelt worden? In eurer Küche?«
    » Nein«, knurrte Mirita. » Hier ist keine Pforte! Auch da draußen auf der Straße war keine. Man muss ein Schatten sein, um durch die Übergänge zu kommen. Es ergibt keinen Sinn.«
    Er ließ sich das Gehörte durch den Kopf gehen. » Kunun hat recht«, sagte er nachdenklich. » Magyria fällt auseinander.«
    Er stützte das Kinn in beide Hände.
    » Ach, ich wollte dir doch was anbieten! Ich vergesse langsam, dass Menschen trinken müssen.« Sie sprang eilfertig auf und suchte ein Gefäß in dem lädierten Küchenschrank. » Leider gibt es nur Brunnenwasser. Frisch geholt, meine Mutter sorgt dafür, dass wir jederzeit etwas dahaben.«
    Mattim fiel auf,

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