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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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das den Duft Magyrias in sich trug.
    Schon wieder! Sie verdiente es wirklich nicht, Kununs Freundin zu sein, die Leopardin an der Seite des schwarzen Panthers. Sobald sie Mattim erblickte, wollte sie keine erbarmungslose Jägerin sein, die ihre Zähne in unschuldige Mädchen schlug, sondern sie wollte mit ihm in der Sonne auf einer Picknickdecke liegen. Es fehlten nur noch Gitarrenklänge, Schmetterlinge, Seifenblasen und Luftballons, am besten mit Blümchengirlanden verziert. Sie liebte Romantik, und das war für einen Schatten inakzeptabel.
    » Wohin willst du?«
    Er zog sie in Richtung Metró-Station. » Egal«, sagte er. » Nur ein bisschen herumfahren.«
    Nach Jaschbiniad will er. Wohin sonst? Wie wäre es? Wir reiten dem Tod entgegen, jede Nacht. Weißt du, wovon ich träume, seit wir zurück sind? Nicht mehr von den Wölfen, sondern vom Abgrund und davon, wie wir fallen, wie ich dich festhalte. Davon, dass ich Angst habe, du könntest mir entgleiten.
    » Tu das nicht«, flüsterte sie, und er fragte sie nicht, was sie meinte. Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen. Wenn er sie ansah, würde sie in seinen Augen die Schlucht finden und den Himmel darüber und eine Sehnsucht, von der sie lieber nichts gewusst hätte. » Ich sollte nirgends mit dir hinfahren.«
    Er lachte leise. » Nicht jeder unserer Ausflüge endet in einer Katastrophe. Das hoffe ich doch.«
    Sie folgte ihm in den U-Bahn-Waggon. Er war ziemlich voll, und sie saßen so nah beieinander, dass ihre Beine sich berührten, als wären ihre Oberschenkel zusammengewachsen. Mattim schien es gar nicht zu merken. Er beobachtete die Leute im Abteil.
    » Der da vorne ist ein Schatten, der Mann mit dem Hut. Dann die zwei mit der großen Tasche, der Geschäftsmann da drüben und die Frau mit den kleinen Töchtern– alles Schatten.«
    Hanna nickte anerkennend. Für einen Menschen war es nicht so einfach wie für sie, das festzustellen. » Du bist ein guter Beobachter.«
    » Ich muss sichergehen, dass wir nicht verfolgt werden.«
    » Du meinst, Kunun lässt mich beschatten? So ist er nicht.«
    » Du hast ja gar keine Ahnung, wie er ist!«
    Sie versuchte, von ihm abzurücken. » Aber du schon, was?«
    Mattim atmete tief durch.
    » Meine größte Sorge war, dass er es rausfindet, dass er meine Eltern anruft und nach mir fragt. Das hat er aber nicht. Er vertraut mir völlig.«
    » Ach ja? Dann hat er dir also erzählt, dass seine Mutter verschwunden ist, dass er die Wälder nach ihr durchkämmen ließ, während wir weg waren, und dass er die Jagd nach den Rebellen mit einer Besessenheit betreibt, die beispiellos ist? Du machst dir etwas vor, Hanna. Er war bloß zu beschäftigt, um sich darüber Gedanken zu machen, was du treibst.– Hier müssen wir übrigens aussteigen.«
    Sie war erleichtert, dass sie nun etwas Sicherheitsabstand zwischen ihn und sich bringen konnte. Vor ihnen lag der große Platz zwischen dem Theater und dem Museum. Der Engel, der sonst über allem wachte, verschwand heute in der dunklen Wolke. Um sie herum waren Scharen von Touristen und Bussen, die wie Geister aus dem schwarzen Nebel auftauchten und wieder verschwanden. Irgendjemand beschwerte sich lautstark darüber, dass man bei diesem Smog nicht fotografieren konnte.
    Mattim sah sich mehrmals skeptisch um. » Er scheint dir wirklich zu vertrauen«, gab er schließlich zu. » Anscheinend werden wir nicht verfolgt.«
    » Natürlich tut er das.«
    » Warum bist du dann hier mit mir?«
    » Gute Frage.« Hanna blieb stehen. » Ich kann auch wieder gehen«, sagte sie schroff, obwohl sie gar nicht gehen wollte. Sie wollte ihn festhalten, damit er nicht abstürzte, aber da es hier keine Abgründe gab, musste sie sich damit begnügen, ihre Gefühle, die ihr zwischen den Fingern hindurchglitten, festzuhalten.
    » Mattim…« Nur seinen Namen auszusprechen bedeutete schon zu viel. Es war wie eine Blume in ihrem Mund, die aufblühen und duften wollte.
    Er hob beschwichtigend die Hände. » Keine Panik. Ich sag nichts mehr gegen Kunun, versprochen. Ich will dir nur etwas zeigen.«
    Da sah sie auch schon, was er meinte. Sie hatte geglaubt, dass nur über den kleinen Donauinseln die Sonne noch schien, doch auch hier war Licht. Der Nebel war an vielen Stellen aufgerissen, wie ein zerfetztes Tuch hing er über dem Park rings um das Vajdahunjad-Schloss.
    » Die Dunkelheit flieht das Wasser, siehst du?«
    Er hatte recht. Lichtstrahlen drangen golden durch die Wolke, warfen ihren glitzernden Schein auf den

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