Der Traum des Schattens
er ist der Einzige, der in dieser Welt seinen Verstand bewahren kann, und er ist gerne in Rékas Nähe. Wenn Sie sein Geschenk an mich sind, nehme ich es gerne an. Hiermit rekrutiere ich Sie für meine Armee. Unter meinem Kommando wird nicht gejammert und über Selbstmord nachgedacht, dort gibt es keinen Platz für Feiglinge. Ich werde Ihnen beibringen, wie man durch Mauern geht, wie man spioniert. Wissen Sie noch, warum Sie mich gerettet haben? Wofür Sie das Leben Ihrer Mutter geopfert haben? Weil Sie mich für den Einzigen gehalten haben, der Kunun gefährlich werden kann. Sie hatten recht.«
Bartók starrte ihn an. » Du glaubst immer noch, du könntest siegen? Gegen den Herrn der Schatten? Du bist verrückt. Ich dachte, es wäre Mut, eine seltene Art von Tapferkeit und Entschlossenheit, dabei ist es in Wahrheit nichts als«, seine Stimme wurde lauter, » Sturheit!«
Mattim sprang vor, und seine Hand umschloss die Kehle des anderen, bevor dieser blinzeln konnte. Bartók sprang auf und schleuderte ihn über den Sessel, doch statt auf den Boden zu krachen, schnellte Mattim wieder hoch.
» Sie sind gut«, sagte er anerkennend. » Genau der Trainingspartner, der mir gefehlt hat. Ich brauche Sie, Bartók. Wir werden das Licht zurückholen.«
» Verdammt noch mal, hörst du denn nie zu? Es ist verloren!«
» Ich werde Ihnen demnächst eine Liste mit Namen geben«, sagte Mattim. » Ihre Aufgabe als Polizist wird es sein, die Frauen aufzuspüren. Manche werden schon alt sein, andere jung, wieder andere sind möglicherweise schon tot; in dem Fall brauche ich die Namen und Adressen der Nachkommen. Sie müssen so schnell und diskret vorgehen wie möglich, aber das sollte kein Problem für Sie sein. Daneben werden Sie mir alle Tricks beibringen, die ich nicht kenne. Ich meine diese östliche Kampfkunst oder was Sie da betreiben.«
Bartók seufzte. » Du gibst einfach nicht auf, oder?«
» Nein. Beim ersten Mal, als ich gegen Kunun angetreten bin, hatte ich das Licht an meiner Seite, beim zweiten Mal eine Armee. Diesmal brauche ich beides. Diesmal gilt es. Sind Sie nun dabei oder nicht?«
» Vermutlich wirst du mich so lange nerven, bis ich tue, was du willst. Ich warne dich, Bürschchen, ich kann dir wehtun.«
Mattim war schon an der Tür. » Kommen Sie.«
» Wohin?«
» Ich zeige Ihnen, wie man jagt. Sie müssen aufhören, so böse dreinzublicken. Seien Sie freundlich und entspannt, das weckt Vertrauen.«
Der Kommissar schüttelte verwirrt den Kopf. » Du willst, dass ich Blut trinke?«
» Ja«, sagte Mattim. » Sie brauchen unbedingt eine Portion Licht. Danach gehen wir irgendwohin, wo wir ungestört sind, und Sie geben mir Unterricht.«
» Du willst bloß, dass ich diese Wohnung verlasse«, knurrte Bartók, während er neben dem Prinzen ins Treppenhaus trat.
» Ja«, gestand Mattim, » das auch.«
» Wir hatten einen Kuss vereinbart«, sagte Hanna. » Falls du es vergessen hast. Einen Kuss für meine Hilfe.«
Die Bank, der Park, im Hintergrund die Märchenburg. Der Ort wurde langsam zu ihrem steten Treffpunkt.
Während die Welt um sie herum einem Albtraum immer ähnlicher wurde, schufen die beiden sich ihr persönliches Märchen. Beim nächsten Mal sollten wir uns woanders verabreden, dachte Hanna. Bevor uns noch jemand sieht.
Mattim streckte die Hand aus und streichelte ihr Haar.
» Falls du drauf verzichten möchtest, ist mir das natürlich recht«, fügte sie rasch hinzu– was glatt eine Lüge war. Seit Jaschbiniad wünschte sie sich, ihn zu küssen, trotz ihres schlechten Gewissens. Er war stärker als alles andere, der Wunsch, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Sie wollte, dass Mattim strahlte, aber seine Augen waren wolkenverhangen und gewitterdunkel, so wie der Himmel über der Felsenstadt.
» Ich hatte dir einen Kuss versprochen, als du mir noch nicht helfen wolltest, in der Hoffnung, dass du es meinetwegen tun würdest. Doch du hattest deine eigenen Gründe, nach Kununs Freundinnen zu fragen, also gibt es auch keinen Kuss.«
» Wie bitte?« Dieser Kerl raubte ihr den letzten Nerv. » Das ist Haarspalterei.«
» Da hast du auch wieder recht.« Er legte eine Hand an ihre Wange, so vorsichtig, als könnte sie zerbrechen. » Ich wünschte, wir wären wieder in der Schlucht«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen, als teilten sie dieselben Gedanken, dieselben Gefühle. » Ich möchte lieber mit dir um mein Leben kämpfen, als hier zu sein, fern von dir.«
» Ich bin nicht
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