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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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immer noch Kunun, und es war ihr egal. Vielleicht würde es ja irgendwann heilen. Irgendwie.
    » Hauptsache, wir sind zusammen.«
    » Falsche Antwort. Den König der Schatten hast du vor dir, der erwartet, dass man ihm gehorcht. Ich habe dir befohlen, Hannas Eltern anzurufen. Und damit raus hier. Erfülle deine Aufgabe.«
    Atschorek wanderte am Tor entlang, als Réka ausstieg. Ihr wissender Blick war voller Mitgefühl. » Ich hab dir gesagt, lass es lieber.«
    » Ja«, flüsterte Réka, der immer noch zumute war, als hätte Kunun sie geschlagen. Doch selbst eine Ohrfeige wäre besser gewesen als seine Kälte, es wäre wenigstens eine Berührung gewesen.
    » Nicht traurig sein«, sagte Atschorek freundlich. » Wenn du schön mitspielst, werde ich dafür sorgen, dass du eine Einladung nach Magyria erhältst. Zu einem unserer Feste. Tanz und Musik und viel Blut. Na, wie klingt das?«
    » Gut«, sagte Réka tonlos. Mit bebenden Fingern schloss sie das Tor auf.
    » Lass ihn nicht warten«, riet Atschorek. » Es ist im Moment etwas schwierig mit ihm.«
    » Ja«, sagte sie leise. » Ja.«
    » Und noch etwas, bevor du dir darüber den Kopf zerbrichst: Hanna darf auf keinen Fall mit nach Magyria. Wiege sie in dem Glauben, dass du sie mitnimmst, und dann lass ihre Hand im letzten Moment los. Kunun will nur Mattim. Wir wollen ihn gerne bei uns haben, wir tun ihm nichts. Ich habe nicht die Absicht, ihn noch einmal zu erschießen.«
    Réka nickte.
    » Verlang keine Erklärung von mir, Kunun braucht seinen Bruder. Es ist wirklich dringend.« Atschoreks Lächeln verlor seine Süße, plötzlich war da etwas Bitteres, Schmerzhaftes um ihre Mundwinkel. Wofür sollte der König der Schatten seinen Bruder brauchen, seinen erbittertsten Gegner?
    Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Logik: Die Schatten verlangte es nach dem Licht, und das Licht war fort. Daher sehnte Kunun sich nach Mattim.
    Schon lange lebte Réka ein dunkles Leben, doch die Liebe war das Dunkelste von allem. Für die Liebe tat sie Dinge, die sie sich nicht hätte träumen lassen, finstere Dinge. Kleine Gemeinheiten, die zu einer Lawine anwachsen konnten. Verrat, Betrug, Lüge. Für ein Wort aus dem Mund des Geliebten. Für einen Kuss. Für einen Schritt, den sie beide, so konnte Réka es sich wenigstens vorstellen, gemeinsam gingen, Hand in Hand, Seite an Seite.
    Für ihn. Für sein dunkles, kaltes Gesicht.
    Für die Liebe konnte sie ihre Zukunft wegwerfen, ihre Eltern belügen, ihren Vater beißen, wie ein Gespenst durch die Nacht irren– es würde immer ein anderes Herumirren sein, als wenn sie nicht liebte. Nicht ganz so verloren, aber dafür tausendmal verzweifelter.
    » Gut«, sagte sie. » Ich tu’s.«
    Nun galt es nur noch zu warten. Réka hatte Hannas Mutter den überfüllten Club als Treffpunkt genannt, und seitdem war sie Nacht für Nacht hier gewesen, um nach ihnen Ausschau zu halten. Trotzdem war es ein Schock, ihre Freunde wiederzusehen. Die beiden Verschollenen.
    Wie erholt sie aussahen. Wie… braun. In Budapest wurde in diesem Sommer niemand braun, stattdessen hing jedem Feuchtigkeit in den Haaren. Hanna und Mattim sahen aus, als kämen sie direkt aus der Karibik oder von sonst einem Ort, an dem die Sonne schien.
    » Ihr wisst, dass ihr verrückt seid, oder? Außerdem ist es beinahe zu spät. Morgen ist schon die Krönung.«
    » Tut mir leid. Ich hätte früher zu Hause angerufen, wenn ich das geahnt hätte.«
    Hanna zog Réka in eine warme, liebevolle Umarmung. Das Mädchen konnte nicht anders, als sich an ihre Gastschwester zu klammern, an ihre Freundin, ihre Seelengefährtin, immer noch– und Mattim dabei verstohlen zu beobachten. Wie attraktiv er war, auch wenn etwas Finsteres in seinen Augen lag. Er war kein Schatten mehr, trotzdem konnte sie das Dunkle in ihm spüren– seinen Zorn, seine Entschlossenheit. Sie sah ihm an, dass er genau wusste, was er mit seinem Herkommen riskierte. Er war bereit, sich der Herausforderung zu stellen.
    » Wo wartet er auf mich?«, fragte Mattim.
    » Lasst uns woanders darüber reden. Nicht hier.«
    Sie bahnte ihnen den Weg durch die Feiernden, durch die Musik und wieder hinaus, öffnete ein paar Türen, bis sie endlich einen Ort fand, an dem sie ungestört reden konnten, eine winzige Abstellkammer, in die sie kaum zu dritt hineinpassten. Direkt über ihren Köpfen leuchtete eine nackte Glühbirne.
    » Wo hält er meinen Vater gefangen?«, fragte Mattim. Meinen Vater, sagte er, nicht unseren. Ganz so, als

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