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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Begrüßung erhofft– wie kam er jetzt auf Hanna?
    » Nein. Ich habe überhaupt nichts mehr von ihr gehört, seit… seit ich wieder ein Schatten bin.«
    » Schade«, sagte Atschorek. » Bist du dir sicher? Keine geheimen Nachrichten, von denen du uns bisher nichts erzählt hast?«
    » Sie ruft nur ihre Eltern an«, meinte Kunun. » Unregelmäßig, übervorsichtig. Schwer zurückzuverfolgen. Aber immerhin, unsere liebe Hanna ist eine treue Tochter.«
    » Worum geht es überhaupt?«, fragte Réka.
    » Du wirst dich bei Hannas Eltern melden und ihnen eine Botschaft übermitteln, die sie ihrer Tochter beim nächsten Anruf ausrichten sollen. Leider gibt es keine weniger umständliche Möglichkeit, um Mattim eine wichtige Nachricht zukommen zu lassen.«
    Draußen flogen die Häuser vorbei. Trotz der schlechten Sicht fuhr Atschorek zügig. Sie hatte das Fenster wieder geöffnet, und der Duft von Tannennadeln, Jasmin und feuchter Erde strömte herein und vermischte sich zu einem waldigen Aroma, das die ganze Stadt in einen Schleier aus Fremdheit hüllte.
    » Was soll ich denn sagen?«
    » Dass Farank in meiner Gewalt ist. Dass ich ihn dazu zwingen werde, mich vor ganz Akink zu krönen und die Knie vor mir zu beugen.«
    » Aber dann… Ich kenne Mattim, er wird losstürmen und ihn befreien wollen!«
    » Genau damit rechne ich«, stimmte Kunun ihr zu.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. » Ist das eine Falle? Du willst Hanna und Mattim herlocken, mit einer Lüge?«
    » Ja, es ist eine Falle«, sagte er. » Aber keine Lüge. Ich habe Farank tatsächlich festgenommen. Du kannst ihn besuchen und dich davon überzeugen, wenn du willst. Dann kannst du Hanna erzählen, du hättest ihn mit eigenen Augen gesehen. Falls es dich stört zu schwindeln.«
    Die leise Verachtung in seiner Stimme war deutlich genug.
    Réka spürte seinen Blick auf sich und suchte darin nach einem Zeichen seiner Zuneigung, das seinem Tonfall widersprach, nach irgendetwas, das ihr Hoffnung gab. Aber da war keinerlei Gefühl in den dunklen Augen. Da war nichts, und Réka dachte plötzlich: Er ist kein Mensch. Er ist überhaupt kein Mensch!
    Das hatte sie doch gewusst, oder? Nein, musste sie sich eingestehen, nein. Nicht so. Gewusst schon, geglaubt nicht. Er hatte Augen wie bodenlose Löcher, mit denen er sie gar nicht wahrnahm.
    » Ich könnte Hanna warnen«, sagte sie, um wenigstens Zorn in sein Gesicht zu zaubern. » Ich könnte ihr sagen: Kommt nicht.«
    » Réka, bitte«, mischte Atschorek sich ein. » Lass es lieber, was immer du da versuchen willst.«
    » Ganz gleich, was du tust«, sagte Kunun. » Mattim wird trotzdem kommen.«
    Der Wagen hielt am Straßenrand. Réka blinzelte; sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie schon im zweiten Bezirk waren, dass dort drüben, still in den dunklen Nebelschwaden, ihr Zuhause auf sie wartete.
    Sie sollte aussteigen, auch wenn sie ihn womöglich nicht mehr wiedersehen würde. Konnte es wirklich sein, dass dies ihre letzte Begegnung mit Kunun war?
    » Bitte«, sagte sie. » Nur eine Minute mit ihm allein. Bitte, Atschorek.«
    Die Vampirprinzessin schnaubte unwillig, und als Réka schon damit rechnete, dass sie sich schlichtweg weigern würde, stieg sie plötzlich aus.
    » Kunun.« Sie legte all ihre Gefühle in seinen Namen. Kurz bedauerte sie, dass sie ausgerechnet heute nicht passender angezogen war, dass sie wie ein Teenager aussah und nicht wie die Geliebte eines Königs. » Darf ich… Können wir nicht… Willst du mich nicht wenigstens ab und zu sehen?«
    Er kannte sie, er wusste alles von ihr. So geschickt hatte er es angestellt, damit sie sich in ihn verliebte… Wie konnte er nur so tun, als wären sie einander nie näher gewesen als jetzt?
    » Kunun, bitte!« Da er nicht sprach, musste sie es tun, musste die wenigen Sekunden nutzen, die ihr blieben. » Ich bin kein Kind mehr, ich bin sechzehn. Ich möchte bei dir bleiben!«
    Einen Moment lang glaubte sie, er würde ihr zustimmen. Sein kaltes Gesicht würde sich zu einem warmen Lächeln verziehen, er würde sie in die Arme schließen, und alles wäre wieder gut. Doch seine Augen blieben finstere Punkte.
    » Sieh mich an«, sagte er. » Was siehst du?«
    » Es macht mir nichts aus!«, rief sie. » Wirklich nicht. Ich liebe dich!«
    » Was siehst du?«, fragte er unerbittlich. » Antworte mir!«
    » Dich, Kunun«, heulte sie. » Nur dich. Es macht nichts, ehrlich.«
    Sein schönes Gesicht war so fürchterlich anzuschauen, dass sie es kaum aushielt. Aber er war

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