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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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gehörte Farank ihm allein.
    Er redete, während Hanna schwieg. Schwieg, bloß schwieg. Réka konnte, so verrückt das auch war, ihre Angst spüren, pochend, zitternd. Kämpf nicht. Riskier nichts. Bleib bei mir. Bitte, bitte, bitte.
    Verrückt, die Gedanken eines anderen Menschen zu denken.
    » Ich habe gehofft, es sei ein Irrtum«, sagte Hanna schließlich.
    » Leider nicht«, sagte Réka leise. » Tut mir leid, Mattim. Es ist wahr, er ist drüben. Morgen findet die Krönung statt.«
    Wenn sie gekonnt hätte, sie hätte das Bild, das sich in ihren Geist eingebrannt hatte, zu Hanna hinübergeschickt: das Bild eines Mannes, der gefesselt eine Straße entlangging, hundert bis an die Zähne bewaffnete Soldaten um ihn herum. Atschorek hatte sie mit auf die andere Seite genommen, kurz nur, aber es hatte ausgereicht, um jetzt die Wahrheit sagen zu können. Hanna würde sofort spüren, wenn sie log.
    » Dann war Farank also wirklich da«, sagte Mattim, » als wir bei Adrienn gewohnt haben. Ich wusste es. Manchmal war er draußen im Garten oder sogar im Haus, und er hat für uns gekämpft, in jener Nacht, als Kununs Krieger mich fangen wollten. Wo befindet er sich jetzt? Im Verlies?«
    Sinnlos, einen Schatten ins Verlies zu sperren, mitten in die Dunkelheit, die seine Zuflucht war.
    » Nein«, antwortete Réka, » draußen, auf einem Platz in der Stadt.«
    Er erschrak. » Auf dem Hinrichtungsplatz?«
    » Ein Ring aus Feuer umgibt ihn. So wird es gemacht, das weißt du. Du kannst ihn nicht befreien, Mattim. Und morgen wird Kunun König. Offiziell, versteht ihr? Er wird seinen Vater zwingen, ihn öffentlich auf dem großen Platz vor allen Leuten zum Nachfolger auszurufen. Er wird ihn zwingen, abzudanken und ihm Akink zu geben, als dem rechtmäßigen Erben. Bisher war der Thron bloß geraubt, ab morgen wird er rechtmäßig ihm gehören.«
    » Das wird mein Vater nicht tun«, sagte Mattim gepresst. » Niemals.«
    » Dazu kann ich nichts sagen«, meinte Réka unglücklich. » Ich will nur, dass ihr es wisst.«
    Hanna musterte Mattim beunruhigt. Er hätte niedergeschlagen sein sollen, doch sein Gesicht leuchtete auf. Da strahlte etwas in seinen Augen, das nicht zu der Tatsache passte, dass sein Vater ein Gefangener war und öffentlich seine Niederlage anerkennen sollte.
    » Ich habe die ganze Zeit überlegt, wie ich die Schatten um mich versammeln soll, die zu mir halten. Jene, die sich Farank als König zurückwünschen. Morgen werden sie da sein, in Akink! Kunun selbst ruft alle zusammen. Sie werden hingehen, mit gesenkten Köpfen, und was werden sie sehen? Ihren alten König, der besiegt ist, einen Schatten. Aber er wird nicht kapitulieren, denn das ist der Moment für unseren großen Auftritt. Wir beide erscheinen auf dem Platz, und das Licht wird wieder zurück sein. Vielleicht… vielleicht kann ich meinen Vater umarmen und ihn dadurch heilen? Wenn er dann wieder ein Mensch ist und wir zusammen leuchten, wird alles noch heller. Morgen holen wir uns Akink zurück!«
    » Das ist Wahnsinn.« Hanna konnte seine Begeisterung nicht teilen. » Wovon redest du da? Er wird kein Mensch, nur weil du ihn umarmst. Wie soll das gehen? Du hast mich gebraucht, um wieder ein Mensch zu werden.«
    » Also braucht er seine Königin… Ich frage mich trotzdem, ob eine Umarmung nicht reichen sollte. Meine Verletzungen sind alle verheilt, nachdem er mich damals umarmt hat, und die Rückverwandlung wäre im Grunde nichts anderes als eine Heilung. Wenn das Licht zurück ist, werden die Schatten sich zu uns stellen. Wenn Akink erst wieder uns gehört, werden wir meine Mutter suchen und meinen Vater erneut zum König des Lichts machen.«
    Hanna hasste sich dafür, dass sie ihn immer bremsen wollte. » Es könnte eine Falle sein.– Ich will dir nichts vorwerfen, Réka«, fügte sie rasch hinzu, denn das Mädchen riss erschrocken die Augen auf, » doch Kunun wartet bestimmt nur darauf, dass wir etwas unternehmen.«
    » Das ist mir bewusst«, sagte Mattim. » Aber falls das Ganze eine Falle ist, rechnet Kunun damit, dass ich es heimlich versuche– und nicht vor aller Augen. Er glaubt, die Schatten gehören mit Leib und Seele ihm. Dabei werden sie sich auf meine Seite stellen.« Er war so sehr davon überzeugt, dass sie es auch fast glaubte. » Sie werden mir folgen, wie sie mir schon einmal gefolgt sind.«
    » Was, wenn nicht?«
    Die Frage machte ihm nichts aus. » Dann ist es besser, Bescheid zu wissen, als von Dingen zu träumen, die niemals

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