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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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eine zweite Tüte über dem Bett aus. » Schuhe.« Dann eine dritte. » Perücken. Wir können es uns nicht leisten, dass du erkannt wirst, das ist dir sicher klar.«
    » Blonde Locken?«, fragte Hanna zweifelnd.
    » Jetzt müsste sogar Mattim zweimal hinsehen. Perfekt. Mit dem richtigen Make-up bist du ein neuer Mensch.«
    Es dauerte unendlich lange, bis Réka mit ihrem Werk zufrieden war. Am Ende starrte sie eine Fremde aus dem Spiegel an. Löckchen kringelten sich über ihre Stirn, zu denen die tiefdunkel geschminkten Augen einen Kontrast bildeten, der für Hannas Geschmack zu hart war. Aber darauf kam es nicht an. Sie sah nicht mehr aus wie sie selbst. Als sie sich zuwinkte, vollführte die blonde Frau im Glas erstaunlicherweise dieselbe Bewegung.
    » Wilder könnte uns helfen«, schlug sie vor. » Wir sollten ihn mitnehmen.«
    » Nein!« Das Mädchen rang um Fassung. Bei ihrem nächsten Satz klang ihre Stimme wieder fest und bestimmt. » Nein, Wilder bleibt hier. Er darf nicht mitbekommen, was wir vorhaben, ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Wir machen es wie geplant: Ich lenke Kunun ab, und du schaust im Verlies nach. Dann verschwinden wir wieder.«
    Merkte denn nicht jeder, dass dies nicht echt, dass es bloß eine Verkleidung war? Die Passanten in den nächtlichen Straßen hasteten vorüber, ohne Hanna besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Es waren viel weniger Leute unterwegs, als sie erwartet hatte. Gut, es war spät, aber in einer Stadt wie Budapest wurden doch nie die Bürgersteige hochgeklappt. So viele stille Straßen. Dunkle Ecken. Wieder beschlich Hanna das ungute Gefühl, dass nicht alles so war, wie es sein sollte. Wo waren all die jungen Leute, die den Weg nach Hause nicht fanden? All die Betrunkenen? Und wenn sie schon dabei war, wohin waren die ganzen Bettler verschwunden?
    Die Stadt war viel zu ruhig, viel zu sauber, viel zu… dunkel.
    Réka blieb stehen und hielt sie am Arm fest. » Da vorne, das sind Schatten. Die Männer, die Frauen nicht.«
    Hanna konnte an der Gruppe, die gerade aus einem Lokal herauskam, nichts Besonderes feststellen. Sie horchte vergebens auf ihr Gefühl, auf eine Warnung, auf irgendetwas, das ihr vertraut vorkam. » Woran erkennst du das?«
    » Die Schatten kann ich nicht spüren«, sagte das Mädchen. » Die Menschen schon. Sie sind warm. Das Leuchten des Lebens ist in ihnen. Ich weiß bloß, wer ein Schatten ist, weil denen diese Ausstrahlung fehlt. Sie sind aus Magyria, und wetten, dass jeder von denen eine Einladung des Königs hat? Am besten, wir folgen ihnen. Die Pforte liegt in der Nähe der Burg.«

7
    AKINK, MAGYRIA
    Hanna schnappte nach Luft, als die Nacht sich veränderte, tiefer wurde, dichter, stiller. Keine Autos mehr. Musik lockte die Menschen durch die schluchtenähnlichen Straßen, wo die Häuserwände dunkel zu beiden Seiten in die Höhe ragten. Das unebene Pflaster war nur von ein paar altertümlichen Laternen erhellt. Hanna und Réka hatten die Gruppe junger Leute beinahe eingeholt, denn eine der Frauen war stehengeblieben.
    » Wo sind wir?« Ihre Stimme klang schrill.
    » Du solltest nicht so viel trinken, Krisztina.« Das heisere Gelächter eines Mannes, der genau Bescheid wusste.
    Vor ihnen öffnete sich die schmale Gasse zu einem großen Platz. Die Musik wurde lauter. Weitgeöffnete Fenster, Lichter, Stimmengewirr. Die Burg ragte in die Nacht, riesig und märchenhaft. Davon konnte sich nicht einmal jemand täuschen lassen, der Budapest noch nicht kannte. Niemand hätte diese dunkle, alte Burg für eine Ruine gehalten. Sie wirkte wie aus einem Märchen hierher versetzt– jedenfalls konnte man das glauben, wenn man nicht wusste, dass man selbst in eine andere Welt gelangt war.
    » Das gibt es doch gar nicht.« Die Stimme der Frau hallte durch die Nacht. » Was sind das für Gebäude? Ich habe nichts getrunken!«
    » Hast du wohl. In der Cola war was drin, hast du das denn nicht gemerkt? Krisztina, jetzt hab dich nicht so. Es ist alles in Ordnung.«
    » Ja, aber so viel kann da gar nicht drin gewesen sein!«
    » Das ist ein Fest. Kommt«, sagte der Mann, » sie warten auf uns.«
    » Wie können die Schatten ihnen das zeigen?«, fragte Hanna entsetzt. » Normalen Leuten, die von nichts wissen?«
    » Ach, das vergessen sie sowieso wieder«, meinte Réka leichthin. » Mach dir deswegen keine Gedanken.«
    Vor dem Burgtor stand ein Wächter in voller Rüstung, das Helmvisier heruntergeklappt. Réka wies ihre Einladung vor, ein Kärtchen aus

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