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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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schnappst nach Luft, doch du kannst nicht atmen. Irgendwann hörst du einfach auf damit. Dann weißt du, dass du wirklich ertrunken bist. Dass du tot bist. Es ist total lustig, weil sonst niemand merkt, wie tot du bist.« Sie kicherte leise. » Unerkannt schleichen wir durch eure Straßen und durch eure Träume, und niemand weiß es. Wir sind alle verloren, und die Menschen sind es auch, aber wir alle tun so, als wäre nichts. Wir leben eine einzige große Lüge, wir alle.«
    » Das ist… traurig«, sagte Hanna leise.
    Réka seufzte. » Ja, das ist es. Und das Schlimmste ist, dass die Schatten sich von mir fernhalten.« Etwas Dunkles zog über ihr Gesicht. » Das ist unerträglich«, flüsterte sie. » Niemand spricht mit mir. Keiner! Nicht einmal er. Obwohl er es versprochen hat! Sie schicken mich wieder weg wie ein lästiges Kind.« Réka hob stolz das Kinn, ihre Augen funkelten wütend. » Als wäre ich eine Aussätzige! Als würde ich ihn nicht mehr lieben, nur weil er… weil er nicht mehr so aussieht wie früher. Dabei ist mir das so was von egal.« Ihr Zorn war schlagartig verraucht. » Komm«, sagte sie unvermittelt. » Was stehen wir hier noch rum? Willst du etwas trinken?«
    Sie zog Hanna in den Wintergarten. Hinter der Glasscheibe stand der Wolf und spähte mit runden Augen hinein. Vorhin hatte sie ihn nicht erkannt, doch obwohl sein Fell in dem fahlen Licht grau wirkte, war kein Zweifel möglich.
    » Wilder?«, fragte Hanna überrascht. » Er ist hier? Warum lässt du ihn nicht rein?«
    » Setz dich«, befahl Réka. » Und der Wolf bleibt draußen. Ich will nicht, dass er hört, wovon wir sprechen. Sie haben Mattim, und ich konnte nichts dagegen tun. Es war Mattims Idee, dass ich ihn erst einmal allein zu ihnen bringe, um die Lage zu überprüfen. Er hat es dir nicht erzählen wollen, weil du nicht damit einverstanden gewesen wärst.«
    » Réka, bleib bei der Wahrheit. Mattim wollte mich mitnehmen, er hätte es mir gesagt, wenn nicht. Du hast meine Hand im letzten Moment losgelassen. Das riecht für mich nach Verrat.«
    » Du traust mir also nicht?« Rékas Stimme zitterte, ihre Augen so groß und dunkel und flehend.
    Vielleicht hätte Hanna Mitleid gehabt, wenn es nicht um Mattim gegangen wäre. » Du hast ihn verraten. Du hast uns beide verraten. Spar dir die Mühe, von wegen, du musst Rücksicht auf meine Gefühle nehmen. Du wolltest bloß, dass Kunun dich wieder beachtet.«
    Réka wandte das Gesicht ab.
    » Und?«
    » So einfach ist es nicht«, flüsterte das Mädchen. » Ich habe gegen die Regeln verstoßen, gegen das Gesetz des Königs. Das musste er bestrafen, ganz egal, was er für mich empfindet, sonst würde ihn niemand mehr ernst nehmen. Er musste mich bestrafen oder es mich wiedergutmachen lassen.«
    » Du lebst nach Kununs Regeln?«
    Réka hob den Blick. » Die ganze Stadt lebt nach seinen Gesetzen. Du warst nicht da, du hast ja keine Ahnung. Die Dinge haben sich geändert. Es war eine Chance für mich, die ich nicht ausschlagen konnte. Warum wart ihr bloß so dämlich herzukommen? Wenn ihr nicht gekommen wärt, hätte ich ihm Mattim auch nicht bringen können.«
    Hanna hatte die Fäuste geballt. Als sie es merkte, öffnete sie die Hände, doch es war so anstrengend, dass sie es kaum fertigbrachte. Noch nie hatte sie dermaßen das Bedürfnis verspürt, jemanden zu schlagen.
    » Dann gehe ich jetzt«, sagte sie, ihre Stimme war von Zorn und Abscheu durchdrungen, aber eigentlich war sie nur verzweifelt.
    Sie hatte keine Ahnung, wie sie nach Magyria gelangen sollte. Es war ihr früher einmal gelungen, ohne einen Schatten durch eine Pforte zu gehen. Sie hatte sich den Weg in die andere Welt erzwungen, durch ihre Verbindung zu Mattim. Dasselbe hatte Hanna versucht, bevor sie zu Réka gegangen war, aber vergeblich. In ihr wohnte die dumpfe Angst, dass es einen ganz bestimmten Grund gab, warum es diesmal nicht funktionierte. Er ist tot. Ich komme nicht hinüber, weil er tot ist …
    Mit einem panischen Schrei sprang Réka auf. » Nein! Nein, geh nicht. Bitte sei nicht böse auf mich! Ich helfe dir. Wir gehen zusammen nach Magyria und finden ihn.«
    » Damit würdest du schon wieder gegen Kununs Regeln verstoßen, oder etwa nicht?«
    Réka strich sich das Haar aus der Stirn und zupfte nervös an einer Strähne. » Heute ist das große Fest, wegen der Krönung. Ich habe eine Einladung bekommen, weil ich gehorcht habe. Kunun wird vielleicht sogar mit mir tanzen. Ich nehme dich mit, du gehst auf die

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