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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Währenddessen versuchte sie, sich zu beruhigen. Dort oben war ihr Feind, doch solange er nichts von ihrer Anwesenheit ahnte, war sie in Sicherheit. Jedenfalls solange sich keiner der anderen Vampire an ihr vergriff.
    Ein Mann tippte ihr auf die Schulter, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Er grinste die beiden Mädchen an. » Tanzt du mit mir, schöne Frau?«
    Nicht alle Vampire waren wie Kunun, dunkel, elegant und bedrohlich. Dieser Kerl war groß und breitschultrig und wirkte ein wenig linkisch. Er bewegte sich nicht wie ein begnadeter Tänzer. Hanna hätte ihn für einen Menschen gehalten, der ebenfalls als Gast hier war, denn auch an seiner Kleidung war nichts ungewöhnlich. Sie hätte vielleicht sogar mit ihm getanzt, wenn Réka nicht wütend die Augen zusammengekniffen hätte.
    » Ich bin mit ihr hier.«
    » He«, sagte der Große, » ich wollte nicht… Ich meine, ich habe nicht vor, dir irgendwas wegzunehmen.«
    » Das will ich auch nicht hoffen«, knurrte Réka. » Denn das wäre gegen die Regeln.« In ihren Augen glänzte etwas Wölfisches auf. Sie trug keine Handschuhe, und an ihrem Handgelenk schienen die roten Bissspuren zu glühen.
    » Alles klar.« Er verzog sich, allerdings nicht ohne noch einen Blick über die Schulter zu werfen.
    » Warum nicht gleich so«, meinte Réka.
    » Wie soll ich mich jetzt fühlen– als deine Beute?«
    » Genieß es.« Sie warf die Arme in die Höhe und bewegte sich zur Musik.
    » Wir wollten uns hier umschauen«, erinnerte Hanna. Sie wagte es nicht, Mattims Namen auszusprechen. Noch hatte sie nichts herausbekommen, was sie weitergebracht hätte. » Wir müssen aus dem Saal und das Schloss durchkämmen.«
    Réka schien sie nicht zu hören. Selbstvergessen tanzte sie, die Augen geschlossen. Vielleicht träumte sie von Kunun. Vielleicht davon, ein normales Mädchen zu sein, nicht jemand, der nirgends hingehörte, weder nach Magyria noch in ihre eigene Welt. Ein Kind aus einem Traum, verloren in den Schatten.
    Hanna huschte zwischen den Tänzern hindurch. Sie versuchte es geschickt anzustellen und niemanden anzurempeln. Falls jemand sie ansprach, würde sie sagen, dass sie die Toiletten suchte. Einem Menschen würde man das ohne Weiteres glauben. Sie schob sich durch die Schatten und ihre auserwählten Opfer, die nichtsahnend die Musik genossen. Manche hatten bereits Bissspuren am Hals, Blut tropfte auf Kragen und Säume, feine Rinnsale mischten sich mit blonden und dunklen Haaren, mit feinen Stoffen.
    » He, warte.«
    Eine Hand streckte sich nach ihr aus, ein Mann, den sie auf den ersten Blick für einen kleinen Beamten gehalten hätte. Er hatte ein unauffälliges Gesicht, trug eine runde Brille. » Wohin so schnell?« Sein Griff war fester als nötig. Hanna suchte nicht nach Narben auf seiner Haut. Ihr war auch so klar, was er war und was er wollte. Hilfesuchend blickte sie sich nach Réka um, doch sie war schon zu weit von ihr entfernt. Verdammt, hatte der Typ denn keinen eigenen Gast mitgebracht?
    » Lass mich los.« Sie versuchte seine Hand abzuschütteln. » Ich bin mit jemandem hier.«
    » Wenn derjenige nicht auf dich aufpasst, ist er selbst schuld.« Der Mann mit der Brille zog die Oberlippe hoch, und seine ausgefahrenen Fangzähne glänzten im Licht der Fackeln. Hanna hätte es für eine Täuschung gehalten, wenn sie es nicht besser gewusst hätte.
    » Lass mich sofort los!«, zischte sie. Leider kannte sie keine Karategriffe, mit denen sie ihn auf den Rücken hätte werfen können, deshalb kniff sie ihn mit aller Kraft in den Arm.
    Auch einem Schatten konnte man wehtun.
    » Au!« Der Mann riss seine Hand zurück, und Hanna hastete weiter.
    Dabei wäre sie fast gegen eine der schmalen eisernen Wendeltreppen gestoßen, die von der Empore hinunter in den Raum führten. Mit einem Blick über die Schulter überzeugte sie sich davon, dass der Brillenschatten ihr nicht folgte. Er verlegte sich wohl darauf, willigere Beute zu jagen. Hanna spürte, wie die Treppe unter ihren Fingern vibrierte. Jemand kam hinunter, ausgerechnet jetzt! Durch die offenen Stufen hoffte sie, Atschoreks hohe Absätze zu erblicken, doch es waren dunkle Schuhe aus feinem Leder. Fast lautlose Schritte. Hanna ließ das Gitter los, als könnte sie sich daran verbrennen. Für einen Moment rührte sie sich nicht von der Stelle. Kunun durfte sie auf keinen Fall sehen! Ungelenk begann sie zu tanzen, dort, wo sie war, als hätte sie die ganze Zeit nichts anderes getan.
    Da kam er schon um die letzte

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