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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Spiegel von Kununs Persönlichkeit war, sah es ziemlich düster für ihn aus. Hanna hätte ein königlich ausgestattetes Gemach erwartet, Sofas aus Samt vielleicht, kunstvoll verzierte Möbel, irgendetwas, das seinen Reichtum bezeugte. Sogar Kununs Hotelzimmer in Budapest war gemütlicher gewesen. Der Raum enthielt nur gähnende Leere, bis auf ein breites Bett auf dicken, gedrechselten Holzpfosten, einen großen Kleiderschrank voller Anzüge– wahrscheinlich musste er sich öfter umziehen, weil er seine wertvolle Garderobe regelmäßig mit Blut bekleckerte– und einen mannshohen Spiegel mit einem verschnörkelten goldenen Rahmen. Das Glas hatte einen Sprung. Mehrere hohe Bogenfenster boten einen deprimierenden Ausblick auf die verdunkelte Stadt. Das Band des Flusses leuchtete schwach in der Tiefe.
    Von Mattim keine Spur.
    » Da drüben geht es in die Nebenräume«, sagte Mirita.
    Die schmale Tür in der Wand öffnete sich zu einer Art Rumpelkammer. Darin hatte Kunun offenbar alle Möbel entsorgt, die er nicht brauchte: Sessel mit goldenen Troddeln, eine mächtige Anrichte, einen Korb mit einem Berg Geschirr. Nirgends ein Gefangener, der geläutert werden sollte.
    Hanna schrak zusammen, als sie Geräusche vom Gang hörte. Erst Gelächter, dann eine Stimme, klar und kühl.
    Als Kunun den Raum betrat, kauerten Hanna und Mirita gemeinsam hinter der Tür zum Nebenzimmer.

8
    AKINK, MAGYRIA
    » Ist alles vorbereitet?«
    » Natürlich.« Das war eindeutig Atschorek. » Nun kommt der Höhepunkt deines Festes, lieber Bruder. Keine Sorge, es wird nichts schiefgehen. Diese Feier wird alles andere in den Schatten stellen. Unsere Überraschung hat es in sich.«
    » Ich freue mich schon drauf, ein Exempel an dem kleinen Mistkerl zu statuieren. Wenn wir kämpfen, muss er alles geben. Er wird es nicht wagen, mich zu verschonen. Diesmal gibt es keine Ausflüchte, keine Tricks. Er und ich. Wir werden kämpfen, bis zum bitteren Ende.«
    Mattim. Oh Mattim.
    » Ihr werdet uns ein grandioses Schauspiel liefern«, sagte Kunun. Etwas Heiseres schwang in seiner Stimme mit. Vorfreude? Hass? Vielleicht sogar Bedauern?
    » Alle werden sehen, dass du wirklich unser König bist«, meinte Atschorek. » Danach wird niemand es je wieder wagen, auch nur die kleinste Regel zu brechen. Wenn du nicht einmal deinen eigenen Bruder verschonst, wen dann? Jeder Schatten wird es sich zweimal überlegen, dich zu verärgern. Jetzt nennen sie dich den König der Schatten, danach werden sie dich den Herrn der Finsternis nennen und sich vor dir niederwerfen.«
    Eine kleine Pause entstand, in der Hanna nicht zu atmen wagte.
    » Gut«, sagte Kunun schließlich. » Machen wir es so. Oben auf der Empore.«
    » Warum dort? Unten im Festsaal ist viel mehr Platz.«
    » Unten sind unzählige Pforten«, erinnerte er sie. » Unser Vater ist entkommen, wie du weißt. Stell dir vor, er taucht plötzlich auf, während ihr kämpft, und zieht Mattim durch eine Pforte nach drüben. Das werde ich nicht riskieren.«
    » Na gut. Also oben auf der Empore.«
    Hanna hielt die Luft an, bis die beiden den Raum verlassen hatten, erst dann wagte sie hörbar aufzuatmen.
    » Mattim«, flüsterte Mirita entsetzt. » Atschorek wird ihn vor aller Augen töten. So gut er auch kämpft, sie ist ein Schatten. Sie wird ihn eiskalt erledigen, sobald er die geringste Schwäche zeigt.«
    » Nein«, sagte Hanna sofort. » Wir holen ihn da raus. Jetzt, noch bevor der Kampf beginnt.«
    » Wenn ich nur wüsste, wo er ist!«, rief Mirita. » Warum haben sie das nicht erwähnt? Wir haben keine Zeit, um die ganze Burg auf den Kopf zu stellen. Es soll jeden Moment passieren, hast du das nicht mitbekommen?«
    Hanna massierte ihre Schläfen. Sie musste sich dazu zwingen, klar zu denken, sich von der Angst nicht überwältigen zu lassen. Mirita war ein Schatten, sie konnte Mattim durch die Pforte bringen. Auf der Empore gab es allerdings keine.
    » Wir brauchen einen Übergang, und zwar dort, wo sie kämpfen. Mattim wird keine Fesseln tragen, wenn er Atschorek im Duell gegenübertreten soll. Auch gibt es keine Wachen, die ihn festhalten oder so dicht neben ihm stehen, dass sie mit in meine Welt fallen würden.« Wie kühl sie nachdachte. Wie heftig ihr Herz schlug und das Blut durch die Adern pumpte wie einen reißenden Strom. » Wir schaffen eine neue Pforte.«
    » Nette Idee«, meinte Mirita und verzog das Gesicht. » Und wie, bitte schön? Den Wolf«, überlegte sie nachdenklich, » tja, den könnte ich auf

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