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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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die Empore bringen, während des Kampfes. Alle werden den beiden Kontrahenten zusehen, niemand wird auf mich achten. Aber wen soll er beißen? Mattim? In dem Moment, wenn ihn der Wolf anfällt, wird er Atschoreks Schwert ausgeliefert sein. Oder willst du einen der Menschen im Saal hinaufzerren?«
    Jemanden wie Krisztina?, dachte Hanna erschrocken. Eine Frau, die nichts ahnt, die lacht und tanzt?
    Mirita runzelte die Stirn. » Das ist nicht einmal das Dümmste. Du bringst einen Menschen hoch, ich einen Wolf, und dann sorgen wir dafür, dass die Pforte auf der Empore entsteht. Wenn wir es rasch durchziehen, solange Mattim noch nicht zu müde oder verletzt ist, wird er sich an Atschorek vorbeikämpfen können, bis er uns erreicht. Dann verschwinden wir mit ihm. Natürlich wird sie uns folgen, genau wie sämtliche andere Schatten, aber möglicherweise gelingt uns drüben in Budapest die Flucht. Du kennst dich dort gut aus.«
    Der Plan war riskant, zu viel konnte schiefgehen. Vor Kununs Augen eine Pforte zu öffnen war Wahnsinn.
    » Wenn die Aktion misslingt, wirst du mit ansehen müssen, wie er stirbt«, sagte Mirita leise.
    » Ich weiß.« Der Gedanke war ungeheuerlich. Hanna konnte es sich weder vorstellen noch damit aufhören, es zu versuchen.
    Ich werde es verhindern, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.
    » Du gehst also zurück in den Saal und wählst einen Menschen aus. Wir treffen uns dann auf der Empore.«
    Einen Menschen auswählen? Sie? Was für ein Gedanke.
    » Ich«, sagte sie. » Ich tue es. Schau mich nicht so an, Mirita, du weißt, es gibt keine andere Möglichkeit. Wie könnte ich irgendeinen Fremden opfern?«
    Die Tanzenden gingen völlig in der Musik auf. Schatten und Menschen, Menschen und Schatten. Alle in ihren besten Kleidern, kurzen und bodenlangen. Überall elegante, paillettenbesetzte Tops, herrliche Schuhe vom Feinsten. Als hätte sich die Elite der Schuhträgerinnen Budapests dazu verabredet, heute ihre Sahnestücke vorzuführen.
    Irgendetwas Besonderes würde geschehen… Wo war Hanna hin? Réka konnte sie nirgends entdecken. Suchte die Deutsche etwa schon im Verlies nach Mattim, ohne auf sie zu warten? Weder der König noch seine Schwester war zu sehen. Eben noch hatte Kunun sich mit seiner menschlichen Beute beschäftigt, und nun war er verschwunden. Réka suchte von ihrem Standpunkt aus die Empore ab, wo Kunun üblicherweise die Feiernden beobachtete, aber er fehlte, trotz der fortgeschrittenen Stunde.
    Die Musiker gaben ihr Bestes, damit die Tänzer den Verstand verloren. Vor der Fensterfront gab es bunte Cocktails, um die Menschen mit Alkohol zu betäuben, sofern sie das von den Bissen ihrer Begleiter nicht schon waren. Der Geruch des vergossenen Blutes war stärker als die verschiedenen Parfümnoten, die sich zu einem einzigen Duft vermischten.
    Hoffentlich geriet Hanna nicht Kunun in die Quere! Réka strebte auf den Ausgang zu, als sie gegen einen der Tänzer stieß, einen Schatten mit einem roten Mal am Hals. Seine Begleiterin zerrte ungeduldig an seinem Arm.
    Réka erstarrte vor Schreck. Es war ihre Mutter! Sie hätte sie fast nicht erkannt. Mónika hatte sich hübsch gemacht und geschminkt, sie war sogar beim Friseur gewesen. Eine wunderschöne, graziöse Frau in einem engen schwarzen Kleid. Oh Gott, das konnte doch nicht wahr sein!
    » Mama?«
    Mónika blinzelte verwirrt. » Was machst du denn hier?«
    » Sag nichts.« Réka packte ihre Mutter am Handgelenk und zog sie mit sich fort. » Komm, wir müssen reden.«
    » Das glaube ich auch.« Mónikas Lippen zitterten vor Zorn. » Das hier ist keine Party für Kinder.«
    » Wer war der Kerl, Mama? Seit wann hast du einen neuen Freund?«
    In diesem Moment öffneten sich die Flügeltüren des Saals, und die Wächter ließen die Wölfe hinein. Réka drehte sofort ab und zerrte ihre Mutter zu einer der Nebentüren. » Beeil dich!«
    » Was…?«
    » Frag nicht. Lauf!«
    Gleich würde es passieren. Das große Fest der Verwandlung. Nicht sie!, dachte Réka, während sie ihre Mutter hinter sich herzog. Das lasse ich nicht zu!
    Hinter sich hörte sie die Schritte der Wächter. Von links kamen andere. Auch wenn sie nicht hinter ihr her waren, wollte Réka ihnen auf keinen Fall begegnen. » Hier, die Treppe hinauf, rasch.«
    » Kannst du mir erklären…«
    » Sei still.«
    Sie klang nicht wie eine Tochter. Nicht wie ein junges Mädchen, das zufällig die eigene Mutter auf einer geheimnisvollen Party getroffen hatte und deswegen verlegen

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