Der Traum des Wolfs
stirnrunzelnd, bis sie anfingen, Neuankömmlingen Gesichter und Hände zu säubern.
Menschen fingen an, sich um sie herum zu versammeln. Ein paar waren neugierig, andere feindselig, andere wiederum ließen sich einfach nur mitreißen. Die Frau und ihre Gruppe machten sich daran, ihnen Aufgaben zuzuweisen. Einige sollten die Verletzten und Kranken versammeln, andere Uniformen und Schwerter nehmen. Eine andere Frau fing an, die Straßenkinder zu befragen, um herauszufinden, wo ihre Eltern waren, falls sie noch welche hatten.
Min setzte sich auf die Kiste, auf der Rand gesessen hatte. Innerhalb einer Stunde hatte er eine Abteilung aus fünfhundert Soldaten, die von Hauptmann Durnham und seinen zwei Leutnants angeführt wurden. Viele der Fünfhundert starrten immer wieder auf ihre saubere Kleidung und die silbernen Harnische, als könnten sie es nicht glauben.
Rand sprach mit vielen von ihnen, entschuldigte sich persönlich. Er unterhielt sich gerade mit einer Frau, als die Menge dahinter unruhig wurde. Rand drehte sich um und sah einen gealterten Mann näher kommen; seine Haut war mit schrecklichen Geschwüren bedeckt. Die Menge ging auf Abstand.
»Naeff«, rief Rand.
»Mein Lord?«
»Holt die Aes Sedai«, befahl Rand. »Hier sind Menschen, die Geheilt werden müssen.« Die Frau, die Leute dazu gebracht hatte, die Wassereimer zu füllen, führte den alten Mann zur Seite.
»Mein Lord«, sagte Hauptmann Durnham und blieb vor ihm stehen. Min blinzelte. Irgendwo hatte der Mann ein Rasiermesser gefunden und sich den Bart abrasiert, um ein starkes Kinn zu enthüllen. Er hatte einen Domani-Schnurrbart stehen gelassen. Vier Männer folgten ihm als Leibwache.
»Wir brauchen mehr Platz, mein Lord«, sagte er. »Das Haus, das Ihr ausgewählt habt, quillt über, und es kommen immer mehr und füllen die Straße.«
»Was schlagt Ihr vor?«, fragte Rand.
»Die Docks«, erwiderte Durnham. »Sie werden von einem der Kaufleute gehalten. Ich wette, dass wir ein paar so gut wie leere Lagerhäuser finden können. Dort wurden Lebensmittel gelagert, aber … nun, es ist nichts mehr da.«
»Und der Kaufmann, der sie besetzt hält?«, fragte Rand.
»Mein Lord«, sagte Hauptmann Durnham, »nichts, womit Ihr nicht zurechtkommen würdet.«
Rand lächelte, dann bedeutete er Durnham vorauszugehen. Er hielt Min die Hand hin.
»Rand«, sagte sie und schloss sich ihm an, »sie brauchen Nahrung.«
»Ja«, stimmte er ihr zu. Er schaute nach Süden, zu den nahe gelegenen Docks. »Wir finden sie dort.«
»Wird sie nicht bereits verbraucht sein?«
Rand erwiderte nichts. Sie gesellten sich zu der neu gebildeten Stadtwache und gingen an der Spitze einer Streitmacht in Grün und Silber. Hinter ihnen kam eine wachsende Menge hoffnungsvoller Flüchtlinge.
Die gewaltigen Docks von Bandar Eban gehörten zu den eindrucksvollsten der Welt. Sie bildeten einen Halbmond. Min war überrascht, dort so viele Schiffe zu sehen, die meisten davon Schiffe vom Meervolk.
Richtig, dachte Min. Rand hatte sie Lebensmittel zur Stadt schaffen lassen. Aber sie waren verdorben. Als Rand die Stadt verlassen hatte, hatte er erfahren, dass sämtliche Vorräte auf den Schiffen der Berührung des Dunklen Königs zum Opfer gefallen waren.
Jemand hatte die Straße blockiert. Andere Zufahrtswege zu den Docks sahen gleichermaßen versperrt aus. Uniformierte Soldaten spähten nervös hinter der Barrikade hervor, als Rands Streitmacht heranmarschiert kam.
»Bleibt sofort stehen!«, rief eine Stimme. »Wir haben keine …«
Rand hob die Hand und schwenkte sie. Die aus Möbeln und Planken gebildete Barrikade knirschte, dann rutschte sie ächzend zur Seite. Männer dahinter schrien auf, brachten sich in Sicherheit.
Rand ließ die Trümmer am Straßenrand liegen. Er setzte sich wieder in Bewegung, und Min konnte den Frieden in ihm spüren. Eine zerlumpt aussehende Gruppe aus Männern mit Keulen stand mit weit aufgerissenen Augen auf der Straße. Rand suchte sich einen von ihnen aus. »Wer versperrt meinem Volk den Weg zu diesem Dock und will Lebensmittel für sich selbst horten? Ich will… mit dieser Person sprechen.«
»Mein Lord Drache?«, fragte eine überraschte Stimme.
Min warf einen Blick zur Seite. Ein hochgewachsener schlanker Mann in einem roten Domanimantel eilte von den Docks auf sie zu. Einst war sein Hemd kostbar und mit Rüschen versehen gewesen, aber jetzt war es zerknittert und zerlumpt. Er sah erschöpft aus.
Wie hieß er noch mal?, dachte Min. Iralin. Das
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