Der Traum des Wolfs
die urplötzlich verdarb, über weißgestrichene Wände, die unversehens dreckig waren.
Die Schenke, in der Thom auftrat, war ein Gebäude mit Giebeldach und Ziegelfassade, deren Schild zwei Äpfel zeigte, von denen der eine bis auf sein Kerngehäuse abgenagt war. Das machte ihn sehr hell, während der andere dunkelrot war die Farben der andoranischen Flagge. Die zwei Äpfel war eines der besseren Etablissements in dieser Gegend.
Er konnte die Musik schon von draußen hören. Er trat ein und entdeckte Thom auf einem kleinen Podest am anderen Ende des Gastraums, wo er Flöte spielte und seinen bunten Gauklerumhang trug. Er spielte mit geschlossenen Augen, sein Schnurrbart hing lang und weiß über beide Seiten des Instruments. Es war eine melancholische Melodie, »Die Heirat von Cinny Wade«. Mat hatte sie als »Wähle immer das richtige Pferd« kennengelernt und sich noch immer nicht an die langsame Weise gewöhnt, auf die Thom sie spielte.
Vor dem Gaukler lag eine kleine Sammlung von Münzen auf dem Boden verteilt. Die Wirtin erlaubte ihm, für Trinkgeld zu spielen. Mat blieb in der Nähe der Tür stehen und lehnte sich an, um zuzuhören. Niemand sprach im Gastraum, obwohl er so voll war, dass Mat allein mit den anwesenden Männern eine halbe Kompanie Soldaten hätte aufstellen können. Alle Blicke waren auf Thom gerichtet.
Mat war schon überall auf der Welt gewesen, hatte einen großen Teil auf den eigenen beiden Füßen bereist. In einem Dutzend verschiedener Städte hätte er fast seine Haut verloren, und er war in allen möglichen Gasthäusern abgestiegen. Er hatte Gaukler, Schauspieler und Barden gehört. Thom ließ den ganzen Haufen wie Kinder mit Stöcken aussehen, die auf Töpfen herumhämmerten.
Die Flöte war ein einfaches Instrument. Viele Adlige würden die Harfe vorziehen; in Ebou Dar hatte ein Mann Mat einmal erzählt, dass die Harfe »erhabener« war. Vermutlich wären ihm die Augen aus dem Kopf gefallen und der Mund offen stehen geblieben, hätte er Thom spielen gehört. Leise Triller, Molltöne und mächtige mutige Töne. Eine so klagende Melodie. Um wen trauerte Thom?
Das Publikum sah zu. Caemlyn war eine der größten Städte auf der Welt, trotzdem erschien die Vielseitigkeit einfach unglaublich. Kernige Illianer saßen neben aalglatten Domani, stämmigen Tairenern und ein paar Grenzländern. Man betrachtete Caemlyn als einen der wenigen Orte, wo man sowohl vor den Seanchanern wie vor dem Drachen sicher war. Hier gab es auch etwas zu essen.
Thom beendete das Lied und ging zum nächsten über, ohne die Augen zu öffnen. Mat seufzte, denn er störte Thoms Auftritt nur ungern. Leider war es Zeit, ins Lager zurückzukehren. Sie mussten über den Gholam sprechen, und Mat musste eine Möglichkeit finden, Elayne zu erreichen. Vielleicht würde Thom in seinem Namen zu ihr gehen.
Mat nickte der Wirtin zu - einer stattlichen, dunkelhaarigen Frau namens Bromas. Sie erwiderte den Gruß, ihre großen Ohrringe funkelten im Licht. Sie war etwas älter, als ihm sonst gefiel - andererseits war Tylin in ihrem Alter gewesen. Er würde sie im Kopf behalten. Natürlich für einen seiner Männer. Vielleicht Vanin.
Er erreichte die Bühne und fing an, die Münzen einzusammeln. Er würde Thom zum Ende kommen lassen und dann …
Seine Hand zuckte. Plötzlich war sein Arm mit der Manschette an die Bühne genagelt; ein Messer hatte den Stoff durchbohrt. Das schmale Stück Metall vibrierte noch. Er schaute auf. Thom spielte immer noch, allerdings hatte der Gaukler ein Auge einen Spaltbreit geöffnet, bevor er das Messer warf.
Thom spielte weiter, ein Lächeln auf den gespitzten Lippen. Mat riss grummelnd den Ärmel frei und wartete, bis Thom die Melodie beendete, die nicht so traurig wie ihre Vorgängerin war. Als der schmächtige Gaukler die Flöte senkte, brach stürmischer Applaus los.
Mat schenkte ihm einen finsteren Blick. »Soll man dich doch zu Asche verbrennen, Thom. Das ist einer meiner Lieblingsmäntel! «
»Sei froh, dass ich nicht auf die Hand zielte«, bemerkte Thom, wischte die Flöte ab und bedankte sich mit einem Nicken für den jubelnden Applaus der Schenkengäste. Sie riefen ihm zu, doch weiterzumachen, aber er schüttelte bedauernd den Kopf und verstaute die Flöte in ihrer Tasche.
»Beinahe wünschte ich mir, du hättest es getan«, sagte Mat, hob den Ärmel und steckte einen Finger durch das Loch. » Blut wäre auf dem Schwarz kaum zu sehen gewesen, aber das Geflickte wird offensichtlich
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