Der Traum
die Speisen nicht mehr unterscheiden und läßt nichts anderes gelten als den Geschmack des reinen Wassers. Agathon31 behält drei Jahre lang einen Stein im Mund. Augustinus32 ist verzweifelt darüber, gesündigt zu haben, weil er Gefallen daran gefunden, einen Hund laufen zu sehen. Wohlstand, Gesundheit werden verachtet, die Freude beginnt bei den Entbehrungen, die den Leib abtöten. Und so leben sie triumphierend in Gärten, wo die Blumen Sterne sind, wo die Blätter der Bäume singen. Sie vernichten Drachen, sie rühren Stürme auf und beruhigen sie, sie werden in der Ekstase um zwei Ellen vom Erdboden entrückt. Edle Witwen sorgen für ihre Bedürfnisse, solange sie leben, empfangen im Traum die Weisung, sie zu begraben, wenn sie gestorben sind. Außergewöhnliche Dinge widerfahren ihnen, wunderbare Abenteuer, schön wie Romane. Und wenn man nach Hunderten von Jahren ihre Gräber öffnet, entweichen liebliche Düfte.
Und wider die Heiligen stehen die Teufel, die zahllosen Teufel. »Sie fliegen oft um uns wie Fliegen und erfüllen die Luft ohne Zahl. Die Luft ist ebenso voll von Teufeln und bösen Geistern wie der Sonnenstrahl voll von Atomen. Es sind ihrer wie Staubkörner so viele.« Und der Kampf, der ewige Kampf entbrennt. Stets sind die Heiligen siegreich, und stets müssen sie den Sieg von neuem erringen. Je mehr Teufel verjagt werden, um so mehr kommen wieder. Man zählt sechstausendsechshundertsechsundsechzig im Leibe einer einzigen Frau, die Fortunatus33 von ihnen befreit. Sie toben, sie sprechen und schreien mit der Stimme der Besessenen, deren Flanken sie mit einem Sturm durchrasen. Sie gehen durch die Nase, durch die Ohren, durch den Mund in sie ein, und sie fahren nach Tagen entsetzlicher Kämpfe mit Gebrüll wieder aus ihnen heraus. An jeder Wegbiegung wälzt sich ein Besessener, liefert ein Heiliger, der vorübergeht, eine Schlacht. Basilius34 kämpft Leib an Leib mit dem Teufel, um einen jungen Mann zu retten. Macarius35, der sich zwischen Gräbern schlafen gelegt hat, setzen die Teufel eine ganze Nacht hindurch zu, und er erwehrt sich ihrer. Die Engel selber sind am Bette der Toten gezwungen, die Dämonen krumm und lahm zu schlagen, um der Seelen habhaft zu werden. Ein andermal wird nur gegen den Verstand und den Geist Sturm gelaufen. Man scherzt, man wendet alle Schlauheit auf, der Apostel Petrus und Simon der Magier führen ihren Streit mit Wundern. Der herumlungernde Satan nimmt alle Gestalten an, verkleidet sich als Frau, geht sogar so weit, das Aussehen von Heiligen anzunehmen. Doch sowie er besiegt ist, erscheint er in seiner Häßlichkeit: »Eine schwarze Katze, größer als ein Hund, mit großen glühenden Augen, mit langer Zunge, die breit und bluttriefend bis zum Nabel heraushängt, den gewundenen Schwanz hoch erhoben, seinen Hintern zeigend, aus welchem ein erschrecklicher Gestank hervorgehet.« Dem Satan gilt die einzige Sorge, der große Haß. Man hat Angst vor ihm und verspottet ihn. Man geht nicht einmal ehrlich mit ihm um. Trotz der grausamen Apparatur seiner Siedekessel bleibt er im Grunde genommen der ewig Betrogene. Alle Pakte, die er eingeht, werden ihm durch Gewalt oder List entrissen. Schwache Frauen schlagen ihn zu Boden, Margareta36 zertritt ihm mit ihrem Fuß das Haupt, Juliana schlägt ihn mit der Kette und reißt ihm die Flanken auf. Heitere Ruhe geht von alledem aus, Verachtung des Bösen, weil es ohnmächtig, Gewißheit des Guten, weil die Tugend allem überlegen ist. Man braucht sich nur zu bekreuzigen, und der Teufel vermag nichts mehr, heult auf und verschwindet. Wenn eine Jungfrau das Zeichen des Kreuzes macht, stürzt die ganze Hölle zusammen.
Alsdann werden in diesem Kampf der heiligen Männer und Frauen gegen Satanas die fürchterlichen Martern der Verfolgung dargestellt. Die Henker setzen die mit Honig bestrichenen Märtyrer den Fliegen aus; lassen sie barfuß über Glasscherben und glühende Kohlen gehen; stoßen sie in Schlangengruben; geißeln sie mit Peitschen, die mit Bleikugeln versehen sind; nageln sie bei lebendigem Leibe in Särge ein, die sie ins Meer werfen; hängen sie an den Haaren auf und zünden sie dann an; gießen ungelöschten Kalk, kochendes Pech, geschmolzenes Blei in ihre Wunden; setzen sie auf erzene Sessel, die bis zum Weißglühen erhitzt werden; drücken ihnen rotglühende Helme auf den Schädel; verbrennen ihre Lenden mit Fackeln, zerbrechen die Schenkel auf Ambossen, reißen ihnen die Augen aus, schneiden die Zunge ab, zerbrechen
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