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Der Traum

Der Traum

Titel: Der Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Beichte und zur Kommunion gegangen waren. Er, Hubert, hielt manchmal beim Spannen eines Stickrahmens inne, um dem Kinde beim Vorlesen seiner Legenden zuzuhören, bei denen er mit ihm erzitterte, während seine Haare im leichten Hauch des Unsichtbaren aufflogen. Er hatte etwas von ihrer Leidenschaft, er weinte, als er sie im weißen Kleide sah. Dieser Tag war wie ein Traum, beide kamen tief bewegt und müde aus der Kirche zurück. Hubertine mußte sie abends schelten, sie, die Vernünftige, die jede Übertreibung mißbilligte, selbst in den guten Dingen. Von da an mußte sie gegen Angéliques Eifer ankämpfen, vor allem gegen die Anwandlungen von Mildtätigkeit, die sie überkamen. Franciscus hatte die Armut zu seiner Herrin erwählt, Johannes der Almosner nannte die Armen allezeit seine Herren, Gervasius und Prothasius50 wuschen ihnen die Füße, Martinus51 teilte seinen Mantel mit ihnen. Und nach dem Vorbild der Lucia52 wollte das Kind alles verkaufen, um alles hinzugeben. Sie hatte sich zunächst ihrer kleinen Dinge entäußert, dann hatte sie begonnen, das Haus auszuplündern. Doch der Gipfel war, daß sie auch Unwürdigen ohne Unterschied der Person mit offenen Händen gab. Als sie eines Abends, zwei Tage nach ihrer Erstkommunion, getadelt worden war, weil sie einer Trinkerin Wäsche aus dem Fenster zugeworfen hatte, verfiel sie wieder in ihre alte Heftigkeit, bekam sie einen schrecklichen Anfall. Dann hütete sie, krank und von Scham zermalmt, drei Tage lang das Bett.
    Indessen verflossen die Wochen, die Monate. Zwei Jahre waren vergangen, Angélique war vierzehn Jahre alt und wurde Frau. Wenn sie in der »Legenda aurea« las, brauste es ihr in den Ohren, pochte das Blut in den blauen Äderchen ihrer Schläfen; und nun empfand sie eine schwesterliche Zärtlichkeit für die Jungfrauen.
    Jungfräulichkeit ist die Schwester der Engel, ist Besitz jeglichen Gutes, Niederlage des Teufels, Herrschaft des Glaubens. Sie verleiht die Gnade, sie ist die unbesiegbare Vollkommenheit. Der Heilige Geist macht Lucia so schwer, daß tausend Mann und fünfzig Joch Ochsen sie auf Befehl des Richters nicht zu einem verrufenen Haus zu schleppen vermögen. Ein Statthalter, der Anastasia umfangen will, wird mit Blindheit geschlagen. Bei den Folterungen wird die Reinheit der Jungfrauen offenbar, von ihrem ganz weißen Fleisch, das von eisernen Kämmen aufgerissen wird, rinnen statt Blut Ströme von Milch herab. Zehnmal kehrt die Geschichte von der ihrer Familie entfliehenden, unter einem Mönchsgewand verborgenen jungen Christin wieder, welche man anklagt, sie habe einem Mädchen aus der Nachbarschaft Gewalt angetan, und welche die Verleumdung erduldet, ohne sich zu rechtfertigen, dann aber in der jähen Offenbarung ihres unschuldigen Geschlechts triumphiert. So wird Eugenia53 vor einen Richter geführt, erkennt in ihm ihren Vater, zerreißt ihr Gewand und gibt sich zu erkennen. Ewig beginnt der Kampf der Keuschheit von neuem, immer von neuem wachsen die Stachel des Fleisches nach. Daher auch bildet die Furcht vor dem Weibe die Weisheit der Heiligen. Diese Welt ist voller Fallen, die Einsiedler gehen in die Wüste, wo es keine Frauen gibt. Sie kämpfen schrecklich, geißeln sich, werfen sich nackt in die Dornen oder in den Schnee. Ein Einsiedler, der seiner Mutter durch eine Furt hilft, umwickelt seine Finger mit seinem Mantel. Ein gefesselter Märtyrer, der von einem Mädchen in Versuchung geführt wird, beißt sich mit den Zähnen die Zunge ab und speit sie ihr ins Gesicht. Franciscus erklärt, er habe keinen ärgeren Feind als seinen Leib. Bernhard schreit »Räuber, Diebe!«, um sich einer Frau, seiner Herbergsmutter, zu erwehren. Eine Frau, der Papst Leo54 die Hostie reicht, küßt ihm die Hand; und er schneidet sich die Hand ab, und die Heilige Jungfrau fügt ihm die Hand wieder an und macht sie heil. Alle verherrlichen die Trennung der Ehegatten. Alexius55, der verheiratet und sehr reich ist, mahnt seine Frau zu möglicher Reinigkeit, dann geht er von dannen. Man vermählt sich nur, um zu sterben. Justina56, die von Cyprianus geplagt wird, widersteht, bekehrt ihn und schreitet mit ihm zur Hinrichtung. Cäcilia, die von einem Engel geliebt wird, offenbart dieses Geheimnis am Hochzeitsabend dem Valerianus, ihrem Gemahl, der sie nicht anrühren und die Taufe empfangen will, um den Engel zu sehen. »Da fand er Caecilien mit dem Engel reden in der Kammer. Der Engel aber hielt in seiner Hand zween Kränze, von Rosen und von Lilien,

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