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Der Traum

Der Traum

Titel: Der Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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das ... Blumen liebe ich zum Beispiel über alles, aber ich kann keinen Strauß neben mir stehen haben, ohne daß ich Kopfschmerzen bekomme. Ich vertrage nur Veilchen, und es ist erstaunlich, ihr Duft wirkt eher beruhigend auf mich. Beim geringsten Unbehagen brauche ich nur an Veilchen zu riechen, das verschafft mir Erleichterung.«
    Er hörte ihr entzückt zu. Er berauschte sich an der Lieblichkeit ihrer Stimme, einer zu Herzen gehenden, etwas gedehnten Stimme, die überaus zauberhaft war; und er mußte wohl besonders empfänglich für diese menschliche Musik sein, denn der schmeichelnde Tonfall bei manchen Silben ließ seine Augen feucht werden.
    »Ach!« unterbrach sie sich. »Die Hemden sind bald trocken.« In dem unbewußten kindlichen Bedürfnis, sich ihm so zu zeigen, wie sie war, schüttete sie ihm weiter ihr Herz aus.
    »Weiß, das ist doch immer schön, nicht wahr? An manchen Tagen habe ich genug von Blau, von Rot, von allen Farben; während Weiß eine vollkommene Freude ist, deren ich niemals überdrüssig werde. Nichts daran verletzt, man möchte sich darin verlieren ... Wir hatten eine weiße Katze mit gelben Flecken, und ich hatte ihr die Flecken übermalt. Sie sah sehr gut aus, aber es hat nicht gehalten ... Sehen Sie, was Mutter nicht weiß, ich hebe alle Abfälle von weißer Seide auf, ich habe ein ganzes Schubfach voll, nur so, aus reiner Freude daran, sie von Zeit zu Zeit anzusehen und zu berühren ... Und ich habe noch ein Geheimnis, oh, ein großes Geheimnis! Wenn ich aufwache, steht jeden Morgen jemand neben meinem Bett, ja, etwas Weißes, das dann davonfliegt.«
    Es bestand kein Zweifel, er schien ihr fest zu glauben. War das nicht ganz einfach so und ganz in der Ordnung? Eine junge Prinzessin, umgeben von der Pracht ihres Hofstaates, hätte ihn nicht so rasch erobert. Inmitten all dieser weißen Wäsche auf diesem grünen Gras hatte sie eine bezaubernde, fröhliche und überlegene, vornehme Art, die es ihm immer beklommener ums Herz werden ließ. Es war geschehen, es gab nur noch sie, er würde ihr bis ans Ende des Lebens folgen. Sie ging weiter mit ihrem schnellen kleinen Schritt und wandte zuweilen mit einem Lächeln den Kopf zurück; und er ging immer hinterher, erstickt von diesem Glück und ohne jede Hoffnung, dieses Glück jemals zu erlangen.
    Doch ein jäher Windstoß brauste daher, ein Schwarm kleiner Wäschestücke, Kragen und Manschetten aus Perkal, Hals und Busentücher aus Batist, wurde emporgewirbelt, ließ sich in der Ferne nieder wie eine Schar weißer Vögel, die im Sturm dahingetrieben waren.
    Und Angélique begann zu laufen.
    »Ach! Mein Gott! So kommen Sie doch! Helfen Sie mir doch!«
    Alle beide waren losgestürzt. Sie fing am Ufer des ChevrotteBaches einen Kragen auf. Er hielt schon zwei Busentücher in der Hand, die er inmitten hoher Brennesseln wiedergefunden hatte. Die Manschetten wurden eine nach der anderen zurückerobert. Doch bei ihrem stürmischen Lauf hatte sie ihn dreimal mit den fliegenden Falten ihres Rockes gestreift; und jedesmal hatte es ihm einen Stoß ins Herz gegeben, und er war jäh rot geworden. Nun berührte er sie flüchtig, während er einen Satz machte, um das letzte Halstuch wieder einzufangen, das ihr entwischte. Sie war unbeweglich stehengeblieben und rang nach Luft. Verwirrung erstickte ihr Lachen, sie scherzte nicht mehr, machte sich nicht mehr über diesen unschuldigen und linkischen großen Jungen lustig. Was hatte sie nur, daß sie nicht mehr fröhlich war und daß ihr in dieser köstlichen Bangigkeit die Kräfte schwanden? Als er ihr das Halstuch reichte, berührten sich zufällig ihre Hände. Sie erbebten und sahen einander bestürzt an.
    Angélique war rasch zurückgewichen, sie verharrte einige Sekunden, ohne zu wissen, wozu sie sich bei dem außergewöhnlichen Ereignis, das ihr zustieß, entschließen sollte. Dann lief sie plötzlich los, närrisch vor Angst, floh sie, die Arme voller Kleinwäsche und das übrige im Stich lassend.
    Félicien wollte jetzt etwas sagen.
    »Oh! Um Gottes willen ... Ich bitte Sie ...«
    Der Wind wurde noch stärker, benahm ihm den Atem. Verzweifelt sah er, wie sie rannte, als trage dieser heftige Wind sie davon.
    Sie lief, sie lief zwischen dem Weiß der Laken und Tücher im matten Gold der tiefstehenden Sonne. Der Schatten der Kathedrale schien sie zu erfassen, und sie war im Begriff, durch die kleine Gartentür zu sich hineinzugehen, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Doch auf der Schwelle drehte sie

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