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Der Traum

Der Traum

Titel: Der Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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die ich einzig um der Freude willen, es Geld regnen zu lassen, wo immer ich wollte, ganze Wagenladungen davon annehmen würde! Welches boshafte Vergnügen habe ich daran finden können, mich so schlechtzumachen? Können Sie mir verzeihen?«
    Félicien lag zu ihren Füßen. Er war auf den Knien bis zu ihr gekrochen. Dieses Glück kam unerhofft und hatte keine Grenzen.
    Er murmelte:
    »Ach, teure Seele, unschätzbare, schöne und gute Seele, Seele von wundersamer Güte, die mich mit einem Hauch geheilt! Ich weiß nicht mehr, ob ich gelitten habe ... Und an Ihnen ist es, mir zu verzeihen, denn ich habe Ihnen ein Geständnis zu machen, ich muß Ihnen sagen, wer ich bin.« Große Verwirrung ergriff ihn wieder bei dem Gedanken, daß er sich nicht länger verbergen könne, wenn sie sich ihm so offen anvertraute. Das wäre nunmehr unredlich gewesen. Er zögerte jedoch, aus Furcht, sie zu verlieren, wenn sie endlich erführe, wer er wirklich war, und sich dann um die Zukunft Sorgen machte.
    Und wider ihren Willen von neuem schelmisch, wartete sie ausdrücklich, daß er spräche.
    Mit sehr leiser Stimme fuhr er fort:
    »Ich habe Ihre Eltern belogen.«
    »Ja, ich weiß«, sagte sie lächelnd.
    »Nein, Sie wissen es nicht, Sie können es nicht wissen, darauf kann niemand kommen ... Ich mache die Glasmalereien nur zu meinem Vergnügen; Sie müssen nämlich wissen ...«
    Da legte sie ihm mit einer raschen Bewegung die Hand auf den Mund und hielt sein vertrauliches Geständnis zurück:
    »Ich will es nicht wissen ... Ich habe auf Sie gewartet, und Sie sind gekommen. Das genügt.«
    Er sprach nicht mehr, diese kleine Hand auf seinen Lippen machte ihn so glücklich, daß er nicht zu atmen wagte.
    »Ich werde es später wissen, wenn es an der Zeit ist ... Und außerdem versichere ich Ihnen, daß ich es weiß. Sie können nur der Schönste, der Reichste, der Edelste sein, denn das ist mein Traum. Ich warte ganz ruhig, denn ich bin ganz sicher, daß mein Traum sich erfüllt ... Sie sind der, auf den ich hoffte, und ich gehöre Ihnen ...« Ein zweites Mal unterbrach sie sich in der wallenden Woge von Worten, die über ihre Lippen kamen. Sie fand diese Worte nicht allein, sie kamen aus der schönen Nacht zu ihr, vom großen weißen Himmel, von den alten Bäumen und den alten Steinen, die draußen schlummerten und ganz laut ihre Träume träumten; und Stimmen hinter ihr murmelten sie ebenfalls, die Stimmen ihrer Freundinnen aus der »Legenda aurea«, von denen die Luft erfüllt war. Doch ein Wort blieb noch zu sagen, das Wort, in dem alles zerschmelzen würde, die lang zurückliegende Erwartung, die allmähliche Erschaffung des Geliebten, das zunehmende Fieber der ersten Begegnungen. Dies Wort entwich dem weißen Flug eines Morgenvogels, der sich zum Licht emporschwang, im jungfräulichen Weiß des Gemaches.
    »Ich liebe Sie.«
    Angélique, deren geöffnete Hände auf die Knie geglitten waren, gab sich hin.
    Und Félicien erinnerte sich an den Abend, da sie barfuß durch das Gras gelaufen und so anbetungswürdig gewesen, daß er ihr nachgeeilt war, um an ihrem Ohr zu stammeln: »Ich liebe Sie!« Und er hörte wohl, daß sie ihm jetzt erst mit demselben Schrei »Ich liebe Sie!« geantwortet hatte, mit dem ewigen Schrei, der endlich aus ihrem weitgeöffneten Herzen hervorgebrochen war.
    »Ich liebe Sie ... Nehmen Sie mich hin, tragen Sie mich fort, ich gehöre Ihnen.«
    Sie gab sich hin mit ihrem ganzen Wesen. Es war eine in ihr wiederentfachte erbliche Flamme. Ihre tastenden Hände umschlangen die Leere, ihr zu schwerer Kopf neigte sich auf ihren zarten Nacken. Hätte Félicien die Arme ausgestreckt, sie wäre hineingesunken, ahnungslos und dem Drängen ihres Blutes nachgebend, nur erfüllt von dem Bedürfnis, mit ihm zu verschmelzen.
    Und er, der gekommen war, sie zu nehmen, zitterte vor dieser so leidenschaftlichen Unschuld. Er hielt sie sanft an den Handgelenken zurück, er legte ihre keuschen Hände wieder über ihrer Brust zusammen. Einen Augenblick sah er sie an, ohne auch nur der Versuchung nachzugeben, ihr das Haar zu küssen.
    »Sie lieben mich, und ich liebe Sie ... Ach! Welch selige Gewißheit, geliebt zu werden!«
    Doch eine Unruhe riß sie aus diesem Entzücken. Was war das nur? Sie sahen sich in einem großen weißen Licht, es war ihnen, als breite sich die Helligkeit des Mondes aus, als strahle sie wie die einer Sonne. Es war das Morgenlicht, eine Wolke über den Ulmen des bischöflichen Gartens färbte sich purpurn. Was

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