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Der Traum

Der Traum

Titel: Der Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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geworden sein mußte. Und lebend erhob sie sich in ihrer köstlichen Blütenfrische, so wie er sie als ganz junge Frau mit der wahnsinnigen Liebe eines schon reifen Mannes geliebt hatte. Die Marter begann von neuem, ließ ihn bluten wie am Tag nach ihrem Tode; er beweinte sie, er begehrte sie mit derselben Auflehnung gegen Gott, der sie ihm genommen hatte; und erschöpft kam er erst beim Morgengrauen zur Ruhe, in Selbstverachtung und in Ekel vor der Welt. Ach, die Leidenschaft, das böse Tier, das er hätte zermalmen mögen, um wieder in den demütigen Frieden der göttlichen Liebe zu versinken!
    Wenn der Bischof aus seinem Schlaf gemach trat, fand er seine strenge Haltung, sein ruhiges und hochmütiges Antlitz wieder, kaum daß ein Rest Blässe es noch bleicher wirken ließ. An dem Morgen, da Félicien gebeichtet, hatte er ihn wortlos angehört, wobei er sich mit solcher Anstrengung bezähmte, daß nicht eine Fiber seines Fleisches zuckte. Er schaute ihn an, und es drehte ihm das Herz um, als er ihn so jung, so schön, so feurig sah, als er sich selber wiedersah in dieser Liebestollheit. Das war kein Groll mehr, das war der unbedingte Wille, die harte Pflicht, ihn vor dem Übel zu bewahren, an dem er selber so sehr litt. Er würde die Leidenschaft in seinem Sohne töten, wie er sie in sich töten wollte. Diese romantische Geschichte versetzte ihn vollends in Angst. Was? Ein armes Mädchen, ein namenloses Mädchen, eine kleine Stickerin, die man im Mondschein erblickt, in eine schmächtige Jungfrau aus der »Legenda aurea« verwandelt und im Traume angebetet! Und er hatte schließlich mit einem einzigen Wort geantwortet: »Niemals!« – Félicien hatte sich ihm zu Füßen geworfen, ihn angefleht und seine und Angéliques Sache verteidigt. Bis dahin hatte er sich ihm nur zitternd genähert, und ohne daß er auch nur wagte, die Augen zur heiligen Person seines Vaters zu erheben, bat er ihn inständig, sich nicht seinem Glück zu widersetzen. Mit unterwürfiger Stimme bot er ihm an, zu verschwinden und seine Frau so weit mit sich fortzunehmen, daß man sie beide nicht wiedersehen würde, und der Kirche sein großes Vermögen zu vermachen. Er wollte nichts weiter, als ungekannt geliebt zu werden und zu lieben. Ein Schauer hatte den Bischof überlaufen. Sein Wort war den Voincourts verpfändet, niemals würde er es zurücknehmen. Und am Ende mit seiner Kraft, fühlte Félicien, wie ihn Wut überkam, und er ging, weil er fürchtete, daß die Blutwoge, die seine Wangen purpurn färbte, ihn in den Frevel offener Auflehnung stürzen würde.
    »Mein Kind«, schloß Hubertine, »du siehst nun wohl ein, daß du nicht mehr an diesen jungen Mann denken darfst, denn du hast doch zweifellos nicht im Sinn, gegen den Willen des Bischofs zu handeln ... Ich habe das alles kommen sehen. Doch mir ist es lieber, wenn die Tatsachen sprechen und das Hindernis nicht von mir kommt.«
    Angélique hatte mit ihrer ruhigen Miene zugehört, mit herabgesunkenen und im Schoß gefalteten Händen. Kaum zuckten ihre Lider dann und wann, ihre starren Blicke sahen die Szene. Félicien zu Füßen des Bischofs, in überströmender Liebe von ihr sprechend. Sie antwortete nicht sogleich, sie überlegte weiter in dem toten Frieden der Küche, in der das leise Singen des Wasserkessels soeben erstorben war. Sie senkte die Lider, sie betrachtete ihre Hände, die im Licht der Lampe schimmerten wie schönes Elfenbein. Während das Lächeln unbesiegbaren Vertrauens wieder auf ihre Lippen trat, sagte sie dann nur:
    »Wenn der Bischof sich weigert, so deshalb, weil er mich erst kennenlernen will.«
    In dieser Nacht schlief Angélique kaum. Der Gedanke, daß ihr Anblick den Bischof umstimmen würde, geisterte durch ihr Hirn. Und in diesem Gedanken lag keinerlei persönliche weibliche Eitelkeit, sie fühlte die Allmacht der Liebe, sie liebte Félicien so stark, daß man es ihr sicherlich ansehen würde und daß sein Vater nicht darauf bestehen könnte, beider Unglück zu verschulden. Unzählige Male wälzte sie sich in ihrem großen Bett hin und her, wiederholte sie sich das alles. Der Bischof wandelte vor ihren geschlossenen Lidern vorüber. Vielleicht sollte sich in ihm und durch ihn das erwartete Wunder vollziehen. Die warme Nacht schlummerte draußen, sie horchte angespannt, um den Stimmen zuzuhören, um zu erlauschen, was die Bäume, der ChevrotteBach, die Kathedrale, das von befreundeten Schatten bewohnte Zimmer selber ihr rieten. Doch alles summte, nichts

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