Der Traum
es blieb nur er, mit seiner schwarzen Soutane, seinem langen weißen Gesicht, das allein das Licht bewahrt zu haben schien. Sie sah seine Augen funkeln, die sich mit zunehmendem Glanz auf sie hefteten. Entzündete etwa Zorn ein solches Feuer in ihnen?
»Monsignore, wenn ich nicht gekommen wäre, hätte ich mir ewig vorgeworfen, aus Mangel an Mut unser beider Unglück verschuldet zu haben ... Sagen Sie, ich flehe Sie an, sagen Sie, daß ich recht gehabt habe, daß Sie Ihre Einwilligung geben.«
Wozu sich mit diesem Kinde in Erörterungen einlassen? Er hatte seinem Sohn die Gründe seiner Weigerung genannt, das genügte. Wenn er nicht sprach, so deshalb, weil er meinte, daß er nichts zu sagen hätte.
Sie verstand ihn zweifellos, sie wollte sich zu seinen Händen emporrecken, um sie zu küssen.
Doch er nahm die Hände heftig nach hinten zurück; und Angélique war verstört, als sie bemerkte, daß eine jähe Blutwoge sein bleiches Antlitz purpurn färbte.
»Monsignore ... Monsignore ...«
Endlich tat er die Lippen auf, sagte er ein einziges Wort zu ihr, das Wort, das er seinem Sohn entgegengeschleudert hatte:
»Niemals!«
Und ohne an diesem Tage seine Andacht zu verrichten, ging er fort. Seine schweren Schritte verloren sich hinter den Pfeilern der Apsis.
Auf die Steinfliesen hingesunken, weinte Angélique lange mit heftigem Schluchzen in dem tiefen leeren Frieden der Kirche.
Kapitel XI
Als Angélique abends in der Küche vom Tisch aufstand, beichtete sie den Huberts, erzählte sie von ihrem Gang zum Bischof und von dessen Weigerung. Sie war ganz blaß, aber sehr ruhig.
Hubert war außer sich. Was denn, sein teures Kind litt bereits! Auch Hubertine war im Innersten getroffen. Seine Augen standen voller Tränen, so verwandt war er ihr in der Leidenschaft, in dieser Sehnsucht nach dem Jenseits, die sie beim geringsten Hauch so leicht miteinander fortriß.
»Ach, mein armer Liebling, warum hast du mich nicht um Rat gefragt? Ich wäre mit dir gegangen, ich hätte vielleicht den Bischof umgestimmt.«
Mit einem Blick brachte Hubertine ihn zum Schweigen. Er war wirklich unvernünftig. War es nicht besser, die Gelegenheit zu ergreifen, um diese unmögliche Heirat zu begraben? Sie nahm das junge Mädchen in die Arme, sie küßte es zärtlich auf die Stirn.
»Es ist also zu Ende, mein Liebchen, wirklich zu Ende?«
Angélique schien zunächst nicht zu begreifen. Dann kamen ihr die Worte wie aus weiter Ferne wieder. Sie blickte vor sich hin, als hätte sie die Leere befragt; und sie erwiderte:
»Gewiß, Mutter.«
Wirklich setzte sie sich am nächsten Tag an ihren Stickrahmen und stickte in ihrer gewohnten Art. Ihr Leben von früher begann wieder, sie schien nicht zu leiden. Es fiel im übrigen keine Anspielung, nicht ein Blick glitt zum Fenster, kaum ein Rest von Blässe lag auf ihren Wangen. Das Opfer schien vollbracht.
Hubert selbst glaubte es, ließ sich von Hubertines Besonnenheit überzeugen, bemühte sich, Félicien fernzuhalten, der, da er noch nicht wagte, sich gegen seinen Vater aufzulehnen, so sehr in Aufregung geriet, daß er sein Versprechen zu warten, ohne den Versuch zu einem Wiedersehen mit Angélique zu unternehmen, nicht mehr hielt. Er schrieb ihr, und die Briefe wurden abgefangen. Er erschien eines Morgens, und Hubert empfing ihn. Die Auseinandersetzung brachte sie beide gleichermaßen zur Verzweiflung, so sehr zeigte der junge Mann seinen Schmerz, als der Sticker davon sprach, daß nur die Ruhe seiner Tochter Genesung bringen könnte, und ihn anflehte, redlich zu sein und zu gehen, um sie nicht wieder in die entsetzliche Unruhe des letzten Monats zu stürzen. Félicien verpflichtete sich von neuem zur Geduld; doch er lehnte es ungestüm ab, sein Wort zurückzunehmen, er hoffte immer noch, seinen Vater zu überzeugen. Er würde warten, er würde die Dinge mit den Voincourts, bei denen er zweimal in der Woche zu Abend aß, auf sich beruhen lassen, einzig und allein zu dem Zweck, eine offene Auflehnung zu vermeiden. Und als er fortging, bat er Hubert inständig, Angélique zu erklären, weshalb er in die Qual willigte, sie nicht zu sehen: er dächte nur an sie, all seine Handlungen hätten kein anderes Ziel als das, sie zu erobern.
Hubertine wurde ernst, als ihr Mann ihr dieses Gespräch berichtete. Nach einem Schweigen fragte sie dann:
»Wirst du dem Kind ausrichten, was er dir aufgetragen hat?«
»Ich müßte es.«
Sie sah ihn fest an und erklärte dann:
»Handele nach deinem Gewissen
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