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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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meine anfängliche Scham der Selbstachtung gewichen war. Der Fremde war clever und ein Spezialist darin, die Intelligenz seiner Gesprächspartner herauszufordern. Als er den Beamten auf diese Weise verunsicherte, hatte ich mehrere Eingebungen. Ich verstand, dass man nur demjenigen folgt, den man bewundert. Bewunderung ist stärker als Macht, Charisma wirksamer als Druck. Ich hatte begonnen, den charismatischen Mann, der mich gerufen hatte, in hohem Maße zu bewundern.
    Während ich noch darüber nachdachte, kam mir mein Verhältnis zu meinen Studenten in den Sinn. Ich barst zwar vor Kenntnissen, wusste aber nicht, dass ich diese nicht ohne Charisma weitergeben konnte. Die wichtigste Gabe eines Meisters ist sein Charisma, erst dann kommt sein Wissen. Und ich litt an der Krankheit der meisten Intellektuellen: Ich war langweilig, öde, überkritisch und immer nur fordernd. Nicht einmal ich selbst konnte mich ertragen.
    Verunsichert durch die überraschenden Gedanken, die er zu hören bekam, warf mir der Polizist einen schnellen Blick zu und sagte noch unsicherer, wie ein braves Kind, das tut, was man ihm sagt: »Herzlichen Glückwunsch, mein Herr!«
    Anschließend forderte er den Traumhändler mit ruhigerer Stimme auf, ihm seinen Ausweis zu zeigen.
    Dieser antwortete unschuldig: »Ich habe keinen.«
    »Was sagen Sie da? Jeder Staatsbürger hat einen Ausweis! Ohne Ausweis haben Sie keine Identität!«
    »Meine Identität ist das, was ich bin«, hob der Traumhändler hervor.
    »Sie können festgenommen werden, wenn Sie sich nicht ausweisen. Sie können für einen Terroristen, einen Aufrührer, einen Psychopathen gehalten werden. Wer sind Sie?«, fragte der Beamte, jetzt wieder aggressiv.
    Ich runzelte die Stirn, denn ich spürte, dass er damit in ein weiteres Fettnäpfchen getreten war. Der Mann, der mich so aufgewühlt hatte, erwiderte darauf: »Ich sage es Ihnen, wenn Sie zuerst mir antworten. Wer sind Sie, dass Sie sich das Recht nehmen, in die geheimsten Winkel meines Wesens, in die Tiefen meiner Psyche einzudringen?«
    Der Polizist ließ sich provozieren und hob die Stimme, ohne zu wissen, dass er sich in seiner Findigkeit selbst verfangen würde. »Ich bin Pedro Alcântara, Polizeihauptmeister in diesem Bezirk«, stieß er stolz und überaus selbstzufrieden zwischen den Zähnen hervor.
    Mein Lehrmeister reagierte ärgerlich: »Ich habe weder nach Ihrem Beruf gefragt noch nach Ihrem gesellschaftlichen Status noch nach dem, was Sie tun. Ich wollte Sie als Menschen kennenlernen. Wer ist der Mensch, der sich hinter dieser Uniform verbirgt?«
    Der Beamte rieb sich in einem nervösen Tick mit der rechten Hand die Augenbrauen. Er wusste nicht, was er antworten sollte.
    Mit leiserer Stimme fragte der Meister weiter: »Was ist Ihr großer Traum?«
    »Mein großer Traum? Also, ich, ich …«, stotterte sein Gegenüber und wusste wieder nicht weiter.
    Noch nie hatte jemand den strengen Einsatzbeamten mit so wenigen Worten herausgefordert. Er trug zwar einen Revolver, war aber hilflos. Ich konnte aus dem Blick meines Retters ein wenig von dem herauslesen, was er dachte. Der Polizeibeamte war für die Sicherheit der sogenannten »normalen Menschen« zuständig, obwohl er selbst unsicher war; er sollte die Gesellschaft schützen, obwohl er selbst emotional schutzlos war.
    Während ich derart über ihn urteilte, erkannte ich mich plötzlich selbst in ihm, und was ich sah, beunruhigte mich. Wie konnte jemand ohne Träume die Gesellschaft schützen, außer als Roboter oder Maschine? Und wie konnte ein Hochschullehrer ohne Träume mündige Bürger ausbilden, die ihrerseits davon träumen, frei und solidarisch zu sein?
    Der geheimnisvolle Meister stieß eine Warnung aus: »Vorsicht! Sie kämpfen für die öffentliche Sicherheit, doch sind Angst und Einsamkeit Gefühlsdiebe und damit gefährlicher als Straftäter. Ihr Sohn braucht keinen Polizeibeamten, sondern eine Schulter, an der er sich ausweinen, einen Menschen, dem er seine Gefühle anvertrauen kann und der ihn lehrt, zu denken. Dieser Traum lebe hoch!«
    Der Einsatzleiter der Polizei war sprachlos. Er war dazu ausgebildet worden, mit Kriminellen fertigzuwerden und sie festzunehmen, aber er hatte noch nie von Dieben gehört, die in die Psyche eindringen. Er wusste nicht, wie er sich ohne Waffe und Dienstabzeichen verhalten sollte.
    Wie die meisten »normalen Menschen« einschließlich meiner selbst war er ein nüchterner Profi, auch am Feierabend bei sich zu Hause, anstatt dann

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