Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
Vom Netzwerk:
und darüber so wütend waren, dass sie ihn am liebsten vertrieben hätten. Einige packten ihn sogar am Arm und wollten ihn wegziehen, um den Skandal so schnell wie möglich zu beenden.
    Doch der Meister ließ sich nicht beirren und fuhr mit lauter und fester Stimme fort: »Ich bitte euch nicht darum, euren Schmerz zu unterdrücken, sondern eure Verzweiflung aufzugeben. Ich erwarte nicht, dass ihr eure Tränen zurückhaltet, sondern dass ihr eure Hoffnungslosigkeit fahren lasst. Die Sehnsucht nach dem Verstorbenen kann nicht gestillt werden, doch das Verzagen ehrt ihn nicht.«
    Diejenigen, die den Meister gepackt hatten, ließen ihn los, da sie merkten, dass der Mann mit der merkwürdigen Kleidung und dem langen Bart zwar exzentrisch sein mochte, aber offensichtlich intelligent war. Antonio, der Sohn des Verstorbenen, und Sofia, die Witwe, starrten ihn an.
    Mit einer Ruhe, die etwas Geheimnisvolles an sich hatte, fügte der Meister hinzu: »Wie jeder Mensch hat Marco Aurélio in seinem Leben Fantastisches erlebt; er hat sich begeistern lassen, hat geliebt, hat geweint, hat gewonnen und verloren. Ihr seid traurig über seine Abwesenheit und fühlt euch innerlich leer, weil ihr ihn am einzigen Ort sterben lasst, an dem er lebendig bleiben muss, nämlich in eurem Inneren.«
    Nun, da seine Zuhörer etwas nachdenklicher gestimmt waren, bediente er sich wieder der sokratischen Methode: »Welche Narben hat Marco Aurélio in euch hinterlassen? In welche Richtungen hat er euren Schritt gelenkt? Welche seiner Reaktionen haben euren Blick auf das Leben verändert? Welche seiner Worte und Taten haben euren Geist beflügelt? Wo spricht er immer noch zu euch?«
    Nachdem er diese Fragen aneinandergereiht hatte, schockierte der Traumhändler alle mit seiner Klarheit. Auch wir, die wir ihm folgten, schämten uns unseres Mangels an Weisheit und Sensibilität. Er formulierte um, womit er seine Zuhörer bereits zu Beginn seiner Rede aufgerüttelt hatte: »Ist dieser Mann in eurem Inneren tot oder lebendig?«
    Einmütig schallte ihm entgegen, der Verstorbene lebe in den Herzen seiner Lieben weiter. Nun erzählte er eine Geschichte, die die Leute aus ihrer Verzweiflung holte und besänftigte: »Kurz bevor Jesus getötet wurde, übergoss eine Frau namens Maria, die ihn liebte, seine Füße mit dem teuersten aller Parfümöle. Sie hatte alles dafür gegeben, was sie hatte. Mit dieser Geste wollte sie ihn für all das ehren, was er getan und durchlebt hatte. Während Jesus gerührt ihre Großzügigkeit lobte, tadelten die Jünger ihre Verschwendung eines derart wertvollen Parfüms, da doch das Geld, das sie dafür ausgegeben hatte, für Wichtigeres hätte verwendet werden können. Jesus jedoch widersprach ihnen. Sein Tod sei nahe, und wo immer später seine Botschaft Verbreitung fände, würde auch ihre ehrende Geste stets erinnert werden.«
    Konzentriert folgten die Trauergäste diesen Worten. Diejenigen, die weiter weg standen, drängten sich an ihre Vorderleute, um den Meister besser hören zu können. Dieser beschloss seine Rede mit den Worten: »So hat uns Jesus gelehrt, dass eine Trauerfeier zwar tränenreich sein kann, aber vor allem mit Ehrbezeugungen und Erinnerungen gefüllt sein muss. Trauer muss duften und denjenigen ehren, der von uns gegangen ist. Seine Taten und Worte müssen erzählt werden. Über jeden Menschen kann man etwas Lobendes sagen. Bitte erzählen Sie von den Taten dieses Mannes! Erklären Sie, welche Bedeutung sie für Ihr Leben haben. Sein Schweigen soll unsere Stimmen in die Lüfte erheben.«
    Zunächst schauten sich die Leute reglos an. Was dann geschah, war unglaublich. Viele begannen, von einzigartigen Momenten zu berichten, die sie mit dem Verstorbenen erlebt hatten. Sie sprachen vom Erbe, das er hinterlassen hatte. Einige kommentierten seine Freundlichkeit, andere seine Herzenswärme. Wieder andere sprachen von seiner Güte und Kameradschaft oder betonten seine Treue. Die nächsten lobten seine Fähigkeit, mit Niederlagen umzugehen. Jemand erzählte, er sei ein großer Naturliebhaber gewesen. Die Sorgloseren erinnerten an seine Schrullen, und ein Freund sagte: »Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so hartnäckig und stur war.« Die Leute lächelten in einer Situation, in der sich dies eigentlich verbietet, sogar Antonio und die Witwe, die besser als alle anderen wussten, wie verbohrt er manchmal gewesen war. Und der Freund fügte hinzu: »Aber er hat mich gelehrt, dass wir das, was wir lieben, niemals

Weitere Kostenlose Bücher