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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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wussten wir nicht mehr, wo wir hinschauen sollten. Die Entscheidung des Meisters verursachte uns große Bauchschmerzen. Voller Vorurteile gingen wir zur Seite und tuschelten: »Eine alte Dame mitten in einem Haufen Sonderlinge – wie sieht das denn aus? Damit werden wir doch zum Gespött der Leute! Die Presse wird sich über uns lustig machen! Und außerdem: Wie soll das klappen? Sie kann doch gar nicht mehr so weit gehen! Dann sollen wir wohl immer auf sie warten? Und wie sie riecht! Ob sie ein Gebiss trägt? Und wer soll ihre Blähungen ertragen? Als ob die von Bartholomäus uns nicht schon reichen würden!«
    Wir dachten wirklich, das soziologische Experiment stünde nun auf der Kippe. Derweil beobachtete uns der Meister geduldig, und Dona Jurema unterhielt sich mit Monika. Sie hatte den Ruf des Meisters noch gar nicht verstanden. Monika versuchte, ihr zu erklären, worum es ging, was ihr als Neuling aber nicht recht gelang.
    Dona Jurema rief uns beiseite und fragte: »Ich hab noch nie was verkauft. Mit welchem Produkt handelt ihr denn eigentlich?«
    Der Meister vertiefte sich nun in ein Gespräch mit Monika und überließ uns das Feld. Was für eine Gelegenheit, die alte Dame zu entmutigen! Mir war aber inzwischen auch der Gedanke gekommen, dass der Meister Dona Jurema womöglich schon von Anfang an gesehen hatte und uns wieder einmal auf die Probe stellte …
    Immerhin hatten wir bereits die wunderbare Erfahrung im Altersheim hinter uns, wo wir das Potenzial alter Menschen entdeckt hatten, und dennoch beharrten wir auf unseren Vorurteilen. Wir waren davon überzeugt, dass die alte Dame der Gruppe nicht würde folgen können, dass sie unseren Ruf ruinieren und unseren rebellischen Impetus hemmen würde. Wir dachten, der Meister müsste sich nun stärker zurückhalten, seinen Eifer zügeln. Da wir aber gerade lernten, ehrlich zu sein, auch wenn es unseren Interessen zuwiderlief, erzählten wir Dona Jurema vom Abenteuer der Träume, nahmen aber kein Blatt vor den Mund, was die Verleumdungen und körperlichen Angriffe betraf, denen wir ausgesetzt gewesen waren. Wir hofften, das würde sie davon abhalten, sich unserer Gruppe anzuschließen.
    Sie hörte uns aufmerksam zu und fuhr sich dabei ab und zu durch das weiße Haar. Unsere drastische Schilderung schien sie zu beunruhigen, sodass wir uns unserer Sache ziemlich sicher waren. Salomon vollführte merkwürdigere Verrenkungen denn je, sprach von schrecklichen Gefahren, die uns noch erwarteten, bekreuzigte sich mehrmals und rief: »Ich schlottere vor Angst!«
    Währenddessen versuchte ich, Bartholomäus durch Zeichen davon abzuhalten, noch dicker aufzutragen, da wir gut voranzukommen schienen. Doch da platzte es schon aus ihm heraus: »Meine kleine Jurema, es ist lebensgefährlich, diesem Mann zu folgen!« Und mit Grabesstimme fügte er hinzu: »Wir können verprügelt, eingelocht, entführt und gefoltert werden! Vielleicht müssen wir sogar den Löffel abgeben!«
    Wir fanden, dass er diesmal nicht ganz so danebengegriffen hatte, ohne zu ahnen, dass seine Worte eine Art Prophezeiung dessen waren, was uns in Zukunft wirklich erwartete. Dona Jurema riss das rechte Auge auf, schloss das linke und schien entsetzt vor der Hölle zurückzuweichen, die wir ihr ausgemalt hatten. Doch das Entsetzen war plötzlich auf unserer Seite, als sie rief: »Fantastisch!«
    »Fantastisch, Dona Jurema?«, fragte ich entgeistert und dachte dann, sie sei anscheinend doch so dement, dass sie unseren Bericht gar nicht verstanden hatte. Aber zu unserer Überraschung holte sie nun aus: »Ja! Die Idee, mit Träumen zu handeln, ist phantastisch! Ich freue mich, dass ich dem Projekt beitreten darf, um mit euch auf Wanderschaft zu gehen! Schon als Studentin und später als Hochschullehrerin war ich rebellisch, da ich die akademischen Strukturen als enges Korsett empfand, das gar keine Denker hervorbringen kann!«
    Ihre Enthüllungen ließen uns den Atem stocken. Dann war ein irritiertes Schnauben zu hören. Welche Geheimnisse die alte Dame wohl noch vor uns verbarg? Als ob die mysteriöse Identität des Meisters noch nicht ausreichte! Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, und Jurema fügte mit beneidenswerter geistiger Klarheit hinzu: »Ich wollte schon immer andere Menschen zum Denken anregen und ihnen Träume verkaufen, bin aber zum Schweigen gebracht worden. Inzwischen ärgere ich mich täglich darüber, wie die Gesellschaft das kritische Denken junger Leute platt walzt und

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