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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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schamhaft seinen Hut und sagte, es tue ihm herzlich leid, liebe Freunde, doch das Gespräch bekomme einen obszönen Ton und daher ziehe er sich in seine Gemächer zurück.
    Kaum war der Mann vom Tisch aufgestanden, lösten sich unsere Zungen, und wir redeten frei von der Leber weg über das, was ein Lieblingsthema in den Kneipen und Spelunken der Salpetersiedlungen war: das Bohnern und Hörnen, Stippen in Nachbars Tunke, Schürfen in fremden Minen und Graben im Beet nebenan, was nur einige hier geläufige Bezeichnungen für die Sünde des Ehebruchs waren. Expedito González und die Rothaarige hörten sich ungläubig und fassungslos die hier draußen schon zum Klassiker gewordene Geschichte von der Frau an, die es durch ein Loch in der Blechwand ihrer Küche mit ihrem Nachbarn trieb. Ein Fall, der übrigens, mein Lieber, erst vor kurzem von Humberto Sánchez in seinem Roman Nackte Wüste beschrieben wurde, und der kennt sich aus, schließlich hat er als Leiter der Abteilung für Soziales eine Zeitlang in der Salpetersiedlung José Francisco Vergara gelebt.
    Der Wein und die Unterhaltung lösten Expedito González an diesem Abend die Zunge, und wir erfuhren etwas mehr aus seinem Leben.
    Geboren war er in Temuco, hatte keine Geschwister, und seine Mutter war bei seiner Geburt gestorben. »Es heißt, als sie mich rausholten, war sie schon tot.« Später, er war noch ein Knirps und keine sieben Jahr alt, starb sein Vater an einem Herzanfall, und er blieb allein auf der Welt, ohne Geschwister, ohne Großeltern, Onkel, Tanten oder irgendwelche Verwandten, von denen er gewusst hätte. Sein Vater war sein Lebtag ein fanatischer Anhänger von Green Cross gewesen, und die schönsten und glücklichsten Tage in seiner Erinnerung waren die, wenn die Mannschaft in der Stadt spielte und er zusammen mit seinem Vater mit Pfeifen und Fahnen und Schachteln voll süßen Popcorns ins Stadion gezogen war. Natürlich wäre er gern von seinem Vater nicht an der Hand geführt, sondern auf die Schultern gesetzt worden, wie die Söhnen der anderen Väter, aber leider war das nie möglich.
    Auf unsere neugierige Nachfrage, was seinen Vater denn an der liebevollen Geste gehindert habe, schwieg Expedito González, dann wechselte er das Thema und sagte, sie würden ihre Reise morgen fortsetzen. Man solle bitte nicht versuchen, ihn umzustimmen. Wenn es nach ihm ginge, so könnten sie noch ein paar Tage bleiben, aber seine Gute wolle schleunigst weiter.
    Daraufhin zischte irgendwer hinter vorgehaltener Hand, dann müssten wir uns wohl oder übel an den Rotschopf ranmachen. Uns bleibe nichts übrig. Choche Maravilla, der am Nachmittag um sie herumscharwenzeltwar, während der Traumkicker mit uns den Sportplatz besichtigte, sagte, wir sollten unbesorgt sein, er habe das erinnerungslose Luder schon durchgewalkt und weichgeknetet und zum Vernaschen bereit. Sie sei noch in dieser Nacht fällig.
    »Sie schmilzt schon dahin!«, behauptete er großmäulig. »Ein anständiger Boxenstopp bei mir, und sie erinnert sich wieder.«
    Kurz nach Mitternacht hatte California seinen Auftritt. Im makellosen weißen Dreiteiler und dem schwarzen Hemd (seiner klassischen Künstlermontur) und mit zerzauster Zigeunermähne kehrte er von seinem Urlaub in Antofagasta zurück.
    Wie üblich stieß er die Schwingtür kräftig auf, blieb dann butterzart am Eingang stehen und wartete ab, an welchen Tisch man ihn zuerst rief.
    Natürlich winkten wir ihn sofort zu uns.
    California grüßte mit einem hippiehaften Victory-Zeichen in die Runde, nahm sich den besten Stuhl, kippte zwei Schnäpse hinunter und bat dann um eine Zigarette für sich und eine zweite für sein Ohr – er gab nie auch nur einen Peso in der Kneipe aus. Auf Bitten der Anwesenden stimmte er schließlich das erste Lied der Nacht an, so wie er es am liebsten tat: den Takt auf der Tischplatte trommelnd und mit dem Mienenspiel der Sänger, die gerade in Mode waren.
    Als er nach den drei ersten Liedern zu Tocopilla triste kam, seinem Paradestück, merkten alle am Tisch, dass er ins Schwarze getroffen hatte: Als hätte etwas in ihrem Kopf klick gemacht, schreckte die Rothaarige auf, hörte dann zu und hing an seinen Lippen wie in Trance, und als California schließlich wie von tausend Musen geküsst einige Strophen nur für sie sang und ihr dabei unverwandt in die Augen schaute, umspielte ein kleines Lächeln ihre herzförmigen Lippen.
    Während der Traumkicker nach diesem Lied, sichtlich beunruhigt, mehr trank, als ihm

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