Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
hinüber. Der Typ erwies sich aus der Nähe als mindestens fünfzehn Jahre zu jung. Apropos, hatte die Wahrsagerin überhaupt was zu seinem Alter gesagt? Hatte sie nicht. Emilia drehte sich noch einmal verstohlen um und kam sich im gleichen Moment albern vor. Nein, der war nun wirklich eine andere Generation.
Dann kam die Nummer 2 in Sicht. Das Haus hatte, im Gegensatz zu den meisten anderen Häusern, seine letzte Sanierung bereits einige Zeit hinter sich. Die Fassade erstrahlte nicht in einem neuen rosa, mintgrünen, puddinggelben oder weißen Anstrich, sondern war grau und abgeblättert. Emilia fiel sofort der Bockwurst frühstückende Bauarbeiter ein. Sie ging hinüber und studierte die Klingelschilder. Ungefähr zwanzig Wohnparteien. Das waren immerhin nicht ganz so viele, wie Hilda prophezeit hatte.
Sie las einige Namen: Gerlach, Müller, Schrumm, Wieland… Aber das verriet irgendwie nichts. Hilda spähte durch das Glasfenster in den Hausflur. Niemand zu sehen. Alles ruhig. Die schwere alte Tür ächzte, als Emilia sie aufschob. Drinnen roch es nach Kälte und Putz. Emilia beschloss, einen Blick in den Hinterhof zu werfen. In der Mitte stand ein großer alter Baum. Ansonsten gab es nur zwei Seitenflügel und kein Hinterhaus. Und wenn er hier in einer dunklen 1Raum-Wohnung hauste? Plötzlich schnarrte eine Stimme hinter ihr. Emilia schrak zusammen, als hätte man sie bei etwas Verbotenem erwischt.
„Aber keine Werbezettel, ja?!“, trötete eine fette Frau mit einer ausgeblichenen Kittelschürze.
Emilia bekam nur ein Kopfschütteln hin. Für einen Moment hatte sie vergessen, welche Tür wieder in das Vorderhaus führte. Sie ging ein paar Schritte nach rechts, dann wieder nach links.
„Da geht’s lang!“ Die Frau zeigte auf die Tür rechts von Emilia.
Und wenn er gerade jetzt aus einem der Fenster schaute? Emilia machte, dass sie vom Hof kam, aber die Frau folgte ihr und gab dabei Geräusche von sich wie eine schnaufende Dampflok. Höflich hielt Emilia ihr die Tür auf und wartete, bis sich die Frau durchgequetscht hatte. „Suchen sie jemanden?“
„Nein“, beeilte sich Emilia zu sagen. Ihr erster Impuls war, so schnell wie möglich zu verschwinden. Aber dann besann sie sich. Eigentlich bot sich die richtige Gelegenheit um nachzufragen.
„Naja, beziehungsweise …doch…eigentlich schon.“
„Na wat denn nu?“ Die Frau bückte sich schwerfällig, um ein Werbekärtchen aufzusammeln. Augenscheinlich war sie hier die Hausmeisterin oder hatte sich selbst dazu ernannt.
„Ja, also…ich weiß nicht, wie er heißt – ist groß, so circa zwei Meter, dunkelblonde …“
„…na da meinse sicher den Herrn Weingarten.“
„Weingarten?“
„Ja, sicher…der wohnt janz oben.“
„Wo, im Hinterhaus?“
„Neee, hier im Vorderhaus.“
„Baut er Häuser?“
„Also, dit kann ick ihnen nich sagen, irgendsowat, ja.“
„Und er hat so dunkelblonde, längere Haare?“
„Ja, ja, sag ick doch.“
„Und graublaue Augen?“
„Also, Mädchen, so jenau guck ick nu nich hin. Den Müll sortiert da nich richtig rein, so viel weeß ick.“
Emilia lag die Frage nach den Zähnen auf der Zunge, aber sie brachte sie nicht raus. Stattdessen stellte sie eine Testfrage.
„Und ist so um die zwanzig?“
„Nee, nee, älter, viel älter, um die vierzig, würd ick ma schätzen, also mit den…“
Doch Emilia hörte nicht weiter zu. Oben ging eine Tür und jemand kam in schnellen Schritten die Treppen hinunter. Wenn er das nun war?
„Danke“, rief sie und verschwand durch die Eingangstür. Sie hörte noch, wie die Frau ihr hinterher rief:
„Na, watn ditte, warum jehnse denn nu nich hoch?“
Emilia beeilte sich, zu ihrem Fahrrad zu kommen. Sie wagte nicht, sich umzudrehen. Erst als sie auf ihrem Sattel saß und im Kopf bereits eine Email an Hilda formulierte, tat sie es doch. Der Mann, der nach ihr aus dem Haus getreten war, war nur ein kleiner, dicker Typ mit Glatze.
Betreff: Herr Weingarten
Morning Hilda,
hast Du deinen Rausch ausgeschlafen? Online bist du jedenfalls noch nicht. Ich hab dafür schon eine Radtour hinter mir. Also, das Haus in der Liebermannstraße ist das Einzige, was noch nicht saniert ist. Er wohnt im Vorderhaus, ganz oben, sortiert seinen Müll nicht richtig ein und heißt Weingarten. Mehr habe ich leider noch nicht herausgefunden. Aber ist das nicht verrückt? Es gibt ihn wirklich!
Deine aufgeregte Emilia
Mist, dass Hilda nicht online war. Emilia wusste nicht, wohin
Weitere Kostenlose Bücher