Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
Emilia dachte an die grünen Augen der Wahrsagerin und spürte wieder einen Stich in der Herzgegend. Sie stand auf und suchte sich Zettel und Stift. Sie musste aufschreiben, was die Wahrsagerin alles gesagt hatte, bevor sie sich morgen vielleicht nicht mehr richtig erinnern konnte. Bei den vier fehlenden Zähnen kamen ihr allerdings wieder Zweifel. Das war der Punkt, der dagegen sprach, das Ganze ernst zu nehmen. Und der Punkt, bei dem Emilia Enttäuschung und Traurigkeit spürte. Emilia WOLLTE, dass das alles stimmte. Emilia wollte sicher sein, dass in der Zukunft Mr. Right auf sie wartete. Dann war alles plötzlich ganz einfach! Dann konnte sie sich von Bernhard trennen und würde wissen, wie es weiterging. Zum ersten Mal wurde ihr klar, wie bereit sie eigentlich war, Bernhard den Laufpass zu geben. Dass sie es nur nicht tat, weil sie Angst hatte, den Rest ihres Lebens allein und mittellos verbringen zu müssen. Dass diese Angst der einzige Grund war, der sie zurückhielt. Dass Emilia Bernhard nicht mehr liebte. Emilia bekam eine Gänsehaut und zog die Decke eng um sich. Diese Erkenntnis hatte sie noch nie so konkret zugelassen. Und sie erschreckte sie. Emilia war unglücklich. Aber das war besser, als allein sein. Doch wenn ihr jemand die Versicherung für die Zukunft gab, dass sie gar nicht allein sein würde ...?!
Ob Blödsinn oder nicht. Sie musste der Sache nachgehen. Schaden konnte es ja nichts.
Emilia wachte davon auf, dass Bernhard die Türen zum Balkon aufriss.
„Na, ihr müsst ja wieder über die Stränge geschlagen haben. Das stinkt hier nach Alk wie in einer Obdachlosenübernachte.“
Emilia blinzelte nach Draußen. Der Himmel war bedeckt. Heute würde es nicht mehr so warm sein. Sie entdeckte den Zettel mit ihren Notizen neben sich auf dem Laken und ließ ihn unbemerkt unter dem Kopfkissen verschwinden.
„Warst du denn schon mal in einer?“, fragte Emilia und richtete sich auf.
Bernhard drehte sich um und starrte sie an.
„Also, manchmal zweifle ich, ob Hilda der richtige Umgang für dich ist. Du hast dann immer eine Art…Wahrscheinlich stachelt ihr euch gegenseitig auf.“
Bernhard verließ das Zimmer. Dafür steckte Jo den Kopf zu Tür herein, total verschlafen.
„Wann gibt’s Frühstück?“
„Wenn du welches machst.“ Emilia lächelte Jo an.
Jo stöhnte, zog den Kopf wieder zurück und verschwand.
Als Emilia geduscht hatte und in die Küche kam, hatte er allerdings zwei Teller gedeckt und bereits ein paar Toaste fertig.
„Und Bernhard?“
„Der muss Actionfilme gucken, also arbeiten, mein ich.“
Jo nickte verständnisvoll. Er hatte das also auch schon durchschaut.
„Und, was hast du heut so vor?“, fragte Emilia.
„Ach, nachher is‘ son Konzert. Der Bruder von Niklas spielt. Geh‘n wir hin. Mit Anton und Torben … und so…“
Emilia bohrte nicht nach, wer sich alles hinter und so verbarg. Jo würde es ihr schon erzählen, wenn sich eins der Mädchen irgendwie als erwähnenswert herausstellte.
„Und du?“
„Ich? … Erst mal einkaufen … und so .“
Jo hörte kurz auf zu kauen und grinste. Jetzt hatten sie beide was, was sie nicht gleich erzählten. Wie sollte das auch gehen? Was sollte Jo von ihr halten, wenn sie mit der Weissagung einer Straßenzigeunerin ankam, der sie auf die Spur kommen wollte?
Die Liebermannstraße war eine ruhige Nebenstraße mit alten, überwiegend sanierten Mietshäusern, die vier Stockwerke zählten. Emilia hatte mit dem Fahrrad circa zehn Minuten gebraucht. Sie kannte die Straße. Hier fuhr sie manchmal durch, um zum Einkaufscenter zu kommen, auch wenn das ein Umweg war. Aber dann konnte sie die nervige Hauptverkehrsstraße ohne Fahrradweg vermeiden. Es war auch der Weg zum Freibad oder in den großen Schlosspark, der am Ende der Straße begann.
Emilia stellte ihr Fahrrad neben dem Lottoladen an der Ecke ab und beschloss, zu Fuß zu gehen. Ihr war mulmig zumute, als könnte man ihr ansehen, was sie vorhatte.
Links reihten sich Häuser mit geraden Hausnummern aneinander, rechts befanden sich die ungeraden. Emilia stand vor der Nummer 29 und beschloss, die Straßenseite zu wechseln. Sie lief einige Schritte und sah, dass ihr in einiger Entfernung ein hoch gewachsener Mann entgegen kam. Und wenn er das war? Emilia bekam Herzklopfen. Sie ermahnte sich, ruhig zu bleiben. Völlig unwahrscheinlich. Trotzdem wechselte sie erneut die Straßenseite. Als sie sich auf gleicher Höhe befanden, warf sie einen verstohlenen Blick
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