Der Traurige Polizist
Dann legte er die Geldbörse hin und drehte seine fünf Karten um.
»Nicht mal ein Paar«, beschwerte sich die ältere Dame.
»Du bist viel zu klug, um ein Alki zu sein«, sagte das Skelett.
»Er ist bloß ein blöder Bulle«, sagte Joubert. »Und er fängt heute abend wieder an zu arbeiten.«
Griessel dankte ihm vom Aufenthaltsraum bis in den leeren Flur, aber Joubert blieb ungerührt. Fünfzehn Minuten lang erklärte
er, wie es laufen muß, bis der Sergeant die Hände hob. »Ich habe das alles schon tausendmal gehört. Von meiner Frau, meinem
Bruder, Willie Theal. Und es hat nicht geholfen, Mat. Ich muß hier in Ordnung sein.« Er schlug sich mit der Handfläche auf
die Brust. »Ich habe die letzten paar Tage viel nachgedacht. Und ich weiß, daß ich es ein oder zwei Wochen schaffe. Doch dann
geht’s wieder los, wenn ich nichts unternehme. Ich brauche deine Seelenklempnerin. Wenn |308| mein Kopf in Ordnung ist, muß ich auch nicht saufen. Und ich will wirklich aufhören. Aber sie muß mir helfen.«
»Das ist eine gute Idee, Benny.« Dann informierte er Griessel über den Stand beider Ermittlungen – die Mauser-Morde und der
»Süße«-Bankräuber –, während Griessel seine Sachen in eine große Papiertüte packte. Dann gingen sie zusammen nach unten. An
den Empfang.
»Und jetzt mußt du den Bankräuber übernehmen, Benny. Heute abend noch. Du mußt mit den Leuten reden. Es ist dein Team.«
Griessel sagte nichts, bis sie den Eingangsbereich erreichten. »Verlassen Sie uns, Griessel?« fragte die Krankenschwester
hinter dem Tresen.
»Ja, Schwester.«
»Haben Sie Angst, Griessel?«
»Ja, Schwester«, sagte er und unterschrieb das Entlassungsformular.
»Das ist gut, Griessel. So bleibt man trocken. Halten Sie ihn uns vom Hals, Großer.«
»Ja, Schwester«, erklärte auch Joubert. Dann gingen sie gemeinsam die Stufen hinunter zum Wagen.
Der Heißhunger überfiel ihn erneut kurz nach vier, in seinem Büro, wo er damit beschäftigt war, die Listen und Tabellen der
Fälle zu überprüfen und nach weiteren Möglichkeiten zu suchen. Sein Hunger wurde ihm plötzlich bewußt und durchbrach seine
Konzentration wie ein Donnerschlag – sein Magen zog sich zusammen, rumpelte, eine Hand zitterte, ihm wurde ein wenig schwindelig,
und er verspürte das drängende Verlangen, sofort etwas zu essen, mit Messer und Gabel an einem Tisch zu sitzen und entschlossen
über ein Gericht herzufallen: |309| ein dickes, saftiges Steak, eine dampfende Folienkartoffel, Blumenkohl mit reichhaltiger Käsesauce, grüne Bohnen mit Tomaten
und Zwiebeln, eine Zucchini, auf der Butter schmolz, während er das Ganze salzte und pfefferte.
Er sah das Essen ganz genau vor sich, und der Drang, in den Wagen zu steigen und sofort zu einem Restaurant zu fahren, war
so stark, daß er schon in der Tür stand, als er sich mühsam bremste, indem er seine Hand gegen den Türrahmen stemmte.
»Großer«, hatte die Krankenschwester zu ihm gesagt.
»Dicker Sack«, hatte der Bereichsleiter der Premier Bank ihn genannt.
Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und zündete sich eine Special Mild an. Sein Magen grummelte noch einmal, ein
langgezogenes Geräusch mit mehreren Crescendos.
Er suchte nach der Nummer der Ernährungsberaterin, fand sie in seinem Notizbuch und wählte. Sie meldete sich vor dem Ende
des ersten Klingelns. Er sagte seinen Namen. Dann: »Meine Diät funktioniert nicht.«
Sie bombardierte ihn mit Fragen, bis sie zufrieden war. »Doch, Captain, Ihre Diät wird funktionieren, wenn Sie dabei bleiben.
Sie können nicht einfach nur morgens und abends anders essen. Das Mittagessen …«
»Ich arbeite mittags.«
»Dann machen Sie Ihr Mittagessen abends, Captain. Und nehmen Sie es mit zur Arbeit.«
Er sagte nichts, er schüttelte den Kopf über die Ungerechtigkeit des Lebens.
»Diät ist harte Arbeit, Captain. Es ist nicht einfach.«
»Das stimmt«, sagte Joubert und seufzte laut.
Es folgte ein langes Schweigen, und nur die Statik der Telefonleitung |310| war zu hören. Schließlich sagte die Ernährungsberaterin: »Sie können einmal die Woche schummeln. Aber dann müssen Sie geschickt
schummeln.«
»Geschickt schummeln«, sagte Joubert hoffnungsvoll.
»Sie sollten sich bei mir
Eine neue Generation
abholen.«
»Eine was?«
»
Kochbuch für eine neue Generation
. Damit können Sie geschickt schummeln. Einmal die Woche.«
»
Kochbuch für eine neue Generation
«, wiederholte er und
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