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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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geehrter Mr. Coetzee,
    laut Angaben unserer Mandantin, Mrs. Ingrid Johanna Coetzee, befinden Sie sich immer noch im Rückstand mit den Unterhaltszahlungen,
     die in der Scheidungsvereinbarung …
     
    Griessel war George Michael Stewart dicht auf den Fersen.
    Er traf niemanden an in der Wohnung des Mannes in Oranjezicht, aber der Hausmeister sagte, der Verdächtige arbeite als Kellner
     bei
Christie’s
, einem Restaurant in der Long Street.
    Er fand keinen Parkplatz, schließlich parkte er im Lieferbereich der Wale Street und ging um die Ecke. Das Restaurant war
     zum Mittagessen voll besetzt. An der Tür begrüßte ihn ein großer, arrogant aussehender Mann mit einem angespannten Lächeln,
     führte ihn dann zügig an einen Tisch hinten |378| in eine Ecke, in der Nähe der Küchentür, und drückte ihm eine Karte in die Hand.
    Griessel setzte sich und spürte, wie die Leute ihn ansahen. Er paßte nicht hierher. Unsicher betrachtete er die Liste der
     Gerichte auf der Karte und stellte fest, daß er sich nicht viel leisten konnte. Er entschied sich für eine Kürbissuppe und
     schaute wieder auf. Nur zwei Kellner waren männlich, beide weiß – der arrogante, der ihn an seinen Tisch geführt hatte, und
     ein anderer von durchschnittlichem Körperbau. Beide trugen dieselbe Kleidung, eine schwarze Hose, ein weißes Hemd und eine
     schwarze Fliege. Beide hatten kurzes dunkles Haar und waren glatt rasiert. Die Nasen beider Männer sahen etwa so aus wie die
     des Bankräubers.
    Mr. Durchschnittlich hastete auf ihn zu, Notizblock und Stift in der Hand.
    »Darf ich Ihnen unsere Tagesgerichte empfehlen, Sir?« fragte er mechanisch, ohne Griessel wirklich anzusehen.
    »Wie heißen Sie?«
    »Michael Stewart«, sagte der Mann und betrachtete seinen Gast aufmerksamer.
    »Ich möchte die Kürbissuppe. Bitte.«
    »Ja.« Er schrieb es auf. »Und dann?«
    »Das ist alles, vielen Dank, Mr. Stewart.«
    »Gern geschehen.« Der Mann eilte davon in die Küche.
    Er spricht Englisch, dachte Griessel. Der Bankräuber spricht Afrikaans. Ein Ablenkungsmanöver?
    Er beugte sich vor, stützte die Ellenbogen auf den Tisch, legte sein Kinn auf die Hände. Er betrachtete die Leute um sich
     herum. Vor allem Männer, nur da und dort eine Frau. Sie befanden sich in der Nähe des Gerichts und des Parlaments, dachte
     er. Wichtige Leute waren das, mit BMW und Handy. Am Tisch |379| neben ihm trank ein Mann genüßlich ein Bier, er kippte das Glas, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, bis das letzte bißchen
     Schaum aus dem Glas verschwunden war, dann stellte er es auf den Tisch und wischte sich mit einer Serviette den Mund ab.
    Griessel stellte sich das warme Gefühl vor, wenn das Getränk im Bauch des Mannes ankam, wie es sich durch den ganzen Körper
     ausbreitete, bis in den Kopf hinein, warm, angenehm und leicht – ein Kitzeln, eine wunderbare Woge, ein Schutz vor den scharfen
     Ecken und Kanten des Alltags.
    Er betrachtete die Salz- und Pfefferstreuer auf seinem Tisch, streckte die Hand aus, griff nach einem davon. Schweißperlen
     standen auf seiner Hand.
    George Michael Stewart war noch nicht wieder aus der Küche zurückgekehrt, vielleicht hatte er Verdacht geschöpft.
    Griessel tastete nach seiner Z88, die an seinem Gürtel befestigt war. Er hätte den Mann nicht nach seinem Namen fragen dürfen.
     Er schaute zur Küchentür. Wie lang war das jetzt? Fünf Minuten. Nur der andere, der arrogante Kerl, eilte zwischen den Tischen
     hin und her, an einem nahm er eine leere Weinflasche weg, am anderen fragte er, ob das Essen gut war.
    Wo blieb Stewart?
    Die Minuten vergingen, seine Unsicherheit wuchs. Wenn der Mann etwas gewittert hatte und durch die Hintertür verschwunden
     war, dann konnte er mittlerweile schon am Bahnhof sein.
    Eine Suppe konnte einfach nicht so lange dauern.
    Plötzlich traf Griessel eine Entscheidung. Er stand auf, legte seine Hand auf den Griff der Pistole und ging eilig zur Küchentür,
     einer Metallschwingtür. Er stemmte den Rücken gegen die Tür, hielt seine Pistole in der Hand, stieß die Tür mit Gewalt auf
     und lief direkt in George Michael Stewart hinein, |380| der einen Teller leuchtend gelbe Suppe trug. Die heiße Flüssigkeit klatschte auf Griessels Hemd und Krawatte, Stewart taumelte
     zurück, stürzte und landete auf seinem Hintern. Mit weit aufgerissenen Augen schaute er den großgewachsenen Mann an, der mit
     seiner Pistole über ihm aufragte.
    »So ein schlechter Kellner kann ich doch gar nicht sein!«

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