Der Traurige Polizist
Ihren Arbeitgeber. Sie schulden
es Ihrem Arbeitgeber, fit zu sein. Dann sind sie aufmerksam und produktiv …«
Er runzelte die Stirn und setzte die Lesebrille wieder auf die Nasenspitze.
»Ich werde Ihnen nichts verschreiben, bevor wir die Ergebnisse des Bluttests haben. Aber bitte denken Sie über Ihre Nikotinsucht
nach. Und Sie sollten Sport treiben. Und Ihre Eß- und Trinkgewohnheiten …«
Joubert seufzte.
»Ich weiß, es ist schwierig, Captain. Aber Übergewicht ist |65| so eine Sache. Je länger man es hat, desto schwerer wird man es wieder los.«
Joubert nickte, sah dem Arzt aber nicht in die Augen.
»Ich muß ein Memo über diese Untersuchung an Ihren Arbeitgeber schicken.« Dann setzte der Arzt hinzu: »Tut mir leid.«
Alle Polizeischüler am Police College in Pretoria mußten das Polizeimuseum in der Pretorius Street im alten Compol-Gebäude
besuchen. Normalerweise waren diese Besuche kein besonderer Hit. Mat Joubert fing erst an, das Museum zu lieben, als er Jahre
nach seiner Ausbildung wegen eines Mordfalls in Pretoria aussagen mußte. In den fünf Tagen, die er wartete, bevor er als Zeuge
aufgerufen wurde, ging er aus lauter Langeweile wieder hin.
Er spazierte von Ausstellungsstück zu Ausstellungsstück, vollkommen gebannt. Mittlerweile verfügte er über die Erfahrung und
Einsicht, zu wissen, daß jede rostige Mordwaffe, jedes vergilbte Beweisdokument irgendeinen längst vergessenen Detective stundenlange
Arbeit und viel Schweiß gekostet hatten. Und am Ende war er erfolgreich gewesen.
Am nächsten Tag war er erneut gekommen. Und Adjutant Blackie Swart war das aufgefallen. Blackie Swart, das Gesicht faltig,
war ein Kettenraucher mit einer Stimme, die klang wie Stiefel auf Kies, und zudem das Faktotum des Museums – ein Posten, den
er sich gesichert hatte, indem er den General ewig damit nervte.
Mit fünfzehn war er zur Polizei gegangen, berichtete er Joubert in seinem Besenkammer-Büro im Keller. »Ich habe zu Pferd zwischen
Paris und Potchefstroom patrouilliert.« Er erzählte Joubert stundenlang Anekdoten und servierte ihm |66| Polizeikaffee – ein Gebräu, das nur erträglich wurde durch einen kleinen Schuß Brandy.
Blackie Swarts Leben war im Museum vor allem in den Glaskästen unter dem Schild DIE GESCHICHTE DER VERBRECHENSERMITTLUNG ausgestellt.
»Ich war dabei, Matty, ich habe das alles miterlebt. Ich war zum ersten Mal im Museum, als ich mir meine fünfundzwanzig Jahre
beim General abholen wollte, hier im Hauptquartier. Und ich wußte, daß ich irgendwann wiederkommen wollte. Dann bin ich mit
sechzig nach fünfundvierzig Jahren Polizeidienst in Ruhestand gegangen. Ich zog nach Margate und schaute meinem Wagen drei
Monate beim Verrosten zu. Dann rief ich den General an. Und jetzt bin ich jeden Tag hier.«
Joubert und der alte Mann plauderten und rauchten den ganzen Tag. Es war keine väterliche Beziehung, eher eine Freundschaft,
die vor allem dadurch ermöglicht wurde, daß Blackie Swart ganz anders war als Jouberts Vater.
Nach der Woche in Pretoria trafen sie sich dann und wann. Beide telefonierten ungern, aber Joubert rief manchmal an, vor allem,
wenn er Rat bei einem Fall wollte.
»Der Arzt sagt, ich muß aufhören zu rauchen, Onkel Blackie«, sagte er nun in den Hörer; er wählte die respektvolle Afrikaans-Art,
Ältere anzusprechen.
Er hörte ein heiseres Keckern am anderen Ende. »Das sagen Sie mir seit fünfzig Jahren, Matty. Und ich bin immer noch da. Im
Dezember werde ich achtundsechzig.«
»Ich hab hier einen komischen Mord, Onkel Blackie. Mein Chef sagt, die chinesische Mafia steckt dahinter.«
»Das ist
dein
Fall?
Beeld
hat de Wit heute morgen zitiert. Ich verstehe das nicht, aber …« Plötzlich klang er verschwörerisch. |67| »Ich habe gehört, daß seine schwarzen Kollegen beim ANC ihn
Mpumlombini
genannt haben. De Wit, meine ich. Damals, in London.«
»Was heißt das, Onkel?«
»Es ist Xhosa für ›Zweinase‹. Der Mann hat offenbar eine Warze …« Blackie Swart kicherte.
Joubert konnte hören, wie am anderen Ende der Leitung eine Zigarette angesteckt wurde. Dann erlitt Blackie einen langen Hustenanfall.
»Vielleicht sollte ich auch aufhören, Matty.«
Joubert erzählte ihm von James Wallace.
»De Wit hat recht mit dem
modus operandi
, Matty. Die Chinesen haben es letztes Jahr in London so gemacht, aber sie können auch anders. Sie mögen auch die Armbrust.
Dramatische Sachen. Viel schicker als die
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