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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Doktorin, und sie desinfizierte und verband anschließend die Wunde? Wo sollte er anfangen? Wollte sie etwas über seine Kindheit
     wissen? Glaubte sie, daß er nie von Freud gehörte hatte? Oder sollte er mit Lara anfangen? Oder mit Lara aufhören? Oder mit
     dem Tod? Und was war mit Yvonne Stoffberg? Wollen Sie mal den hören von dem Detective und der Tochter seines Nachbarn, Frau
     Doktor? Irre witzige Geschichte … Denn der Detective will zwar, weiß aber nicht, ob er noch kann.
    |82| »Weil meine Arbeit leidet.« Es war eine mutlose Antwort. Das wußte er. Und er wußte, daß sie es auch wußte.
    Sie schwieg lange. »Ihr Akzent … Ich stamme aus Gauteng. Er klingt irgendwie eigenartig. Sind Sie hier aufgewachsen?«
    Er schaute zu Boden, auf seine braunen Schuhe, die dringend geputzt werden mußten. Er nickte. »Goodwood.«
    »Brüder und Schwestern?«
    Stand das nicht auch in der Akte? »Eine ältere Schwester.«
    »Lebt sie auch noch am Kap?«
    »Nein. Secunda.«
    Nun schaute er sie an, wenn er etwas sagte. Er sah ihre breite Stirn, die großen braunen Augen, die weit auseinander standen,
     die schweren Augenbrauen.
    »Ähneln Sie einander?«
    »Nein …« Er wußte, daß er noch etwas hinzufügen mußte, daß seine Antworten zu kurz ausfielen. »Sie … sieht aus wie mein Vater.«
    »Und Sie?«
    »Wie meine Mutter.« Er war schüchtern, er fühlte sich unwohl. Was er sagen wollte, klang so gewöhnlich. Aber er sagte es dennoch:
     »Genaugenommen komme ich nach der Familie meiner Mutter. Ihr Vater, mein Großvater, war offenbar auch großgewachsen.« Er atmete
     tief durch. »Und ungeschickt.« Er ärgerte sich, daß er die letzten beiden Worte hinzugesetzt hatte. Wie ein Täter, der bewußt
     Tips gab.
    »Sie betrachten sich selbst als ungeschickt?« Sie sagte es automatisch, ein Reflex, und auf eine eigenartige Weise fühlte
     er sich dadurch besser. Immerhin hatte sie ihn nicht vollständig unter Kontrolle.
    »Das bin ich.«
    »Warum sagen Sie das?«
    |83| »Ich war es schon immer.« Sein Blick wanderte über die Bücherregale, aber er sah nichts. »Solange ich zurückdenken kann.«
     Die Erinnerungen stauten sich hinter dem Damm. Er stach mit dem Finger ein Loch hinein, um ein paar Tropfen hindurchzulassen.
     »In der Schule … Ich war immer letzter beim Langstreckenlauf …« Er war sich ihres schmalen Lächelns nicht bewußt. »Das machte
     mir Sorgen. Aber nicht in der Highschool.«
    »Warum machte es Ihnen Sorgen?«
    »Mein Vater … Ich wollte sein wie er.« Er stopfte das Loch wieder. Das Leck war geschlossen.
    Sie zögerte einen Augenblick. »Leben Ihre Eltern noch?«
    »Nein.«
    Sie wartete.
    »Mein Vater starb vor drei Jahren. Herzinfarkt. Meine Mutter ein Jahr später. Er war einundsechzig. Sie war neunundfünfzig.«
     Er wollte sich nicht daran erinnern.
    »Was tat Ihr Vater beruflich?«
    »Er war Polizist. Siebzehn Jahre lang war er Leiter der Polizeiwache in Goodwood.« Joubert konnte geradezu hören, wie die
     Rädchen in ihrem Kopf sich drehten. Sein Vater war Polizist gewesen. Er war Polizist. Das hieß, was immer es hieß. Aber sie
     würde einen Fehler begehen.
    »Ich bin nicht Polizist geworden, weil mein Vater einer war.«
    »Oh?«
    Sie war so gerissen. Sie hatte ihn dranbekommen. Doch nicht noch einmal. Er sagte nichts. Er schob seine Hände in die Jackentaschen
     und suchte nach seinen Zigaretten. Nein, zu früh. Er zog die Hände wieder heraus, legte sie vor der Brust über Kreuz.
    |84| »War er ein guter Polizist?«
    »Ich weiß es nicht. Ja. Er stammte aus einer anderen Zeit. Seine Leute – die Uniformierten, weiß wie braun – waren stolz auf
     ihn.«
    Er hatte nicht einmal mit Lara über seinen Vater gesprochen.
    »Aber ich glaube, sie hatten auch Angst vor ihm.«
    Er hatte auch mit Blackie Swart nie über seinen Vater gesprochen. Oder mit seiner Mutter oder seiner Schwester. Wollte er
     eigentlich mit irgendwem über ihn reden?
    »Er hatte einen rassistischen Spitznamen für jede Rasse in diesem verrückten Land. Die Malaien waren für ihn keine Farbigen.
     Er nannte sie Hitzköpfe. Er sagte ihnen das ins Gesicht. Seine Hitzköpfe. ›Komm mit, mein Hitzkopf.‹ Und Xhosas und Zulus
     waren keine ›Schwarzen‹. Sie waren Kaffer. Nie ›meine Kaffer‹. Immer ›gottverdammte Kaffer‹. Zu seiner Zeit gab es keine schwarzen
     Constables, nur schwarze Kriminelle. Immer mehr und mehr von ihnen, denn sie zogen vom Ostkap auf der Suche nach Arbeit hierher.
     Er haßte

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