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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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sie.«
    Joubert sah sich selbst in dem schwarzen Sessel sitzen, einen mächtig gebauten Mann mit über Kreuz gelegten Armen, geneigtem
     Kopf und ungekämmtem Haar, das braune Jackett und die Hose, die ungeputzten braunen Schuhe, die Krawatte. Er hörte sich sprechen,
     als befände er sich außerhalb seines Körpers. Rede, Mat Joubert, rede. Das ist es, was sie will. Zeig ihr die Leichen im Keller.
     Laß sie mit ihren Lektionen die Überreste deines Lebens sezieren. Blute den Dreck aus.
    »Mir ging es am Anfang genauso, ich ahmte ihn nach. Bevor ich zu lesen begann und Freunde hatte, deren Eltern die Welt anders
     sahen. Und dann … lehnte ich meinen Vater einfach ab, seine enge, einfache Weltsicht, seinen nutzlosen Haß. Das war Teil eines
     … Prozesses.«
    |85| Einen Augenblick lang war es still in den Verliesen seines Geistes.
    Der Schmerz senkte sich auf seine Schultern. Er stand am Grab seines Vaters und wußte, daß er den Mann gehaßt hatte. Und niemand
     wußte davon. Nur sein Vater hatte es geahnt.
    »Ich habe ihn gehaßt … Frau Doktor.« Bewußt setzte er ihren Titel hinzu, er schuf eine Distanz zwischen ihnen. Sie wollte
     alles wissen. Sie wollte hören, welche Geister sich in seinem Kopf herumtrieben. Er würde es ihr sagen. Er würde es ihr gottverdammt
     noch mal sagen, bevor sie es mit ihren Techniken und ihrer Stimme und ihrem großen Wissen aus ihm herausknetete … »Ich haßte
     ihn, weil er war, was ich nie sein würde. Und weil er mich dafür verhöhnte. Er war so stark und … schnell. Am Freitagnachmittag
     ließ er die dunkelhäutigen Constables in der Straße hinter der Wache antreten. ›Kommt, meine Hitzköpfe, derjenige, der die
     Straßenlampe vor mir erreicht, darf am Wochenende ficken gehen.‹ Er war schon fünfzig und schlug sie jedesmal. Und ich war
     so langsam. Er sagte, ich wäre nur faul. Er sagte, ich müßte Rugby spielen, das würde einen Mann aus mir machen. Ich begann
     zu schwimmen. Ich schwamm, als hinge mein Leben davon ab. Im Wasser war ich nicht riesengroß und ungeschickt und häßlich.
     Er sagte, Schwimmen wäre für Mädchen. ›Mädchen schwimmen. Männer spielen Rugby. Davon kriegt man große Eier.‹ Er rauchte nicht.
     Er sagte, das nähme einem Kraft. Also fing ich an zu rauchen. Er las nicht, denn das Leben war das einzige Buch, das er brauchte.
     Lesen war für Mädchen. Ich begann zu lesen. Er schimpfte. Mit meiner Mutter, meiner Schwester. Ich sprach sanft mit ihnen.
     Er sagte ›Hitzkopf‹ und ›Kaffer‹ und ›Neger‹. Ich sprach alle als ›Mister‹ an. Und dann ist er mir einfach weggestorben.«
    |86| Gefühle breiteten sich in seinem Inneren aus, in seiner Brust. Er zitterte, sein Körper zitterte einfach, er stützte die Ellenbogen
     auf die Knie, legte den Kopf zwischen die Hände. Er fragte sich, wie sie, als er …
    Plötzlich wollte er ihr vom Tod erzählen. Das Verlangen, dies zu tun, breitete sich wie ein Fieber in ihm aus. Er konnte es
     schmecken, die Erleichterung. Sprich darüber, Mat Joubert, dann bist du frei!
    Er richtete sich auf und steckte eine Hand in seine Tasche. Er zog die Zigaretten hervor. Seine Hände zitterten. Er zündete
     sich eine an. Er wußte, daß sie etwas sagen würde, um die Stille aufzuheben. Das war ihre Aufgabe.
    »Warum haben Sie sich für denselben Beruf entschieden?«
    »Die Detectives hatten in Goodwood nicht viel mit den Uniformierten zu tun. Da gab es einen Lieutenant Coombes. Er trug einen
     Hut, einen schwarzen Hut. Und er sprach sehr freundlich mit jedem. Und er rauchte Mills aus einer Dose. Und er trug immer
     eine Weste und fuhr einen Ford Fairlane. Alle kannten Coombes. Mehrfach wurde über ihn in der Zeitung berichtet, über Morde,
     die er aufgeklärt hatte. Wir lebten in der Nähe der Wache. Ich saß auf der
Stoep
und las, als er aus dem Büro der Detectives in der Voortrekker Road kam, möglicherweise auf dem Weg zu meinem Vater. Er blieb
     an unserem Tor stehen und sah mich an. Aus heiterem Himmel sagte er: ›Du mußt unbedingt Detective werden.‹ Ich fragte ihn,
     warum. ›Wir brauchen kluge Leute bei der Polizei.‹ Dann ging er. Er hat nie wieder ein Wort zu mir gesagt. Ich weiß nicht
     einmal, was aus ihm geworden ist.«
    Joubert drückte die Zigarette aus. Sie war nur halb geraucht.
    »Mein Vater sagte, keines seiner Kinder würde jemals bei |87| der Polizei arbeiten. Coombes sagte mir, ich sollte Detective werden. Er war genauso, wie ich mir meinen Vater wünschte.«
    Sag

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