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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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grüne Akte. Er fragte sich, ob das seine Akte war. Hinter ihr nahm ein weißes Bücherregal
     fast die ganze Wand ein. Es war voller Bücher – Taschenbücher und Hardcover, ein ordentliches, buntes, fröhliches Bild des
     Wissens und Vergnügens.
    In der Ecke gab es eine weitere Tür, neben dem Bücherregal. War der letzte Patient da hinausgegangen?
    |79| Er setzte sich in einen von zwei Sesseln vor ihrem Schreibtisch. Es waren verstellbare Fernsehsessel, mit schwarzem Leder
     bezogen. Er fragte sich, ob er hätte warten sollen, bis sie sich zuerst setzte. Sie lächelte und legte ihre Hände entspannt
     auf den Schreibtisch vor sich.
    »Ich habe in einer Sitzung noch nie jemanden als ›Captain‹ angesprochen«, sagte sie.
    Ihre Stimme war sehr sanft, als wäre alles, was sie sagte, streng vertraulich. Zugleich klang sie aber äußerst melodiös. Er
     fragte sich, ob man Psychiatern beibrachte, so zu sprechen.
    »Man nennt mich Mat.«
    »Wegen Ihrer Initialen?«
    »Ja«, sagte er erleichtert.
    »Ich heiße Hanna. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich so nennen.«
    »Sind Sie Psychiater?« fragte er nervös, spontan.
    Sie schüttelte den Kopf. Ihr Haar war von einem fast farblosen Braun und zu einem Zopf geflochten. Bei jeder Bewegung konnte
     er ihren Zopf zucken sehen.
    »Ich bin eine stinknormale Psychologin.«
    »Aber Sie haben einen Doktor?«
    Sie neigte den Kopf, als wäre es ihr ein wenig unangenehm. »Ich habe einen Doktor in Psychologie.«
    »Darf ich rauchen?«
    »Natürlich.«
    Joubert zündete seine Zigarette an. Er hatte sie verbogen, als er sie aus dem Mund genommen hatte, und jetzt hing sie traurig
     zwischen seinen Fingern. Er sog den Rauch ein und klopfte unnötigerweise die Asche in den Aschenbecher. Er konzentrierte sich
     auf die Zigarette, auf den Aschenbecher.
    »Ich arbeite erst seit zwei Wochen für die Polizei«, sagte sie. |80| »Ich habe schon einige Mitarbeiter gesehen. Manche waren unglücklich, daß sie herkommen mußten. Das kann ich verstehen. Es
     ist nicht schön, wenn man zu etwas gezwungen wird.«
    Sie wartete auf eine Reaktion, bekam aber keine.
    »Psychologische Beratung heißt nicht, daß mit Ihnen etwas nicht stimmt. Nur daß Sie jemanden brauchen, mit dem Sie reden können.
     Außer bei der Arbeit und zu Hause.«
    Wieder wartete sie. Joubert schaute sie nicht an. Warum klang das alles für ihn wie Entschuldigungen? Mußte es eine Frau sein?
     Das hatte ihn überrascht.
    »Sie haben viel Streß bei der Arbeit. Jeder Polizist sollte regelmäßig mit einem Psychologen sprechen.«
    »Wurde ich ausgewählt, weil mit mir alles in Ordnung ist?«
    »Nein.«
    »Wer hat entschieden, daß ich herkommen mußte?«
    »Ich.«
    Er schaute sie an. Ihre Arme waren entspannt, nur mit den Händen vollführte sie dann und wann kleine Gesten, um Worte zu betonen.
     Er schaute ihr ins Gesicht. Er sah ihren Kiefer, geradlinig und zart, als wäre er zerbrechlich. Er schaute wieder weg. Sie
     sah nicht schuldbewußt aus, nur ruhig und geduldig.
    »Und mein OC?«
    »OC?«
    »Mein Chef – der
officer commanding

    »Ich bekomme jeden Tag stapelweise Akten von Vorgesetzten, die finden, ihre Männer sollten mit mir reden. Und ich entscheide
     dann, wer tatsächlich kommen sollte.«
    Dennoch war de Wit derjenige, der die Sache angeschoben hatte. Er hatte die Formulare ausgefüllt, hatte das Motiv angegeben.
    Joubert wurde sich der Intensität ihres Blicks bewußt. Er |81| drückte seine Zigarette aus, legte die Arme über Kreuz und schaute sie an. Ihr Gesicht war ernst.
    Noch leiser als zuvor sagte sie: »Es ist ganz normal, damit nicht einverstanden zu sein.«
    »Warum haben Sie mich ausgesucht?«
    »Was glauben Sie, warum?«
    Sie ist klug, dachte er. Zu klug für mich.
    Er wußte, daß er nicht wütend war. Oder war es genau das, was die Verrückten sagten? Er war hier, weil er bloß ein bißchen
     verrückt war. Der gnadenlose Sensenmann war ihm auf den Fersen. Und das machte ihn manchmal …
    »Wegen meiner Akte«, sagte er resigniert.
    Sie schaute ihn an, ein mitfühlendes Lächeln spielte über ihre Lippen. Ihr Mund war klein. Er bemerkte, daß sie kein Make-up
     trug. Ihre Unterlippe war von einem natürlichen blassen Rosa.
    Als sie nichts sagte, setzte er hinzu: »Es ist wahrscheinlich notwendig.«
    »Warum glauben Sie, es sei notwendig?« Sie flüsterte beinahe.
    Arbeitete sie so? Man kam herein, setzte sich und öffnete die eigenen Abszesse, man verspritzte den Eiter vor der wohlmeinenden
    

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