Der Traurige Polizist
ruhiger, neugieriger Stimme.
»You’re the Fire«, sagte sie, ohne nachzudenken, und griff nach einer Geldtasche. Sie öffnete die Kassenschublade und begann
Scheine herauszunehmen.
Joubert kam zurück von dem Banküberfall und mußte rennen, um das Telefon in seinem Büro abzuheben.
»Ich stelle Sie durch zu Dr. Perold.«
Er wartete.
»Captain?«
»Herr Doktor?«
»Ich habe keine guten Nachrichten, Captain.«
Jouberts Magen krampfte sich zusammen. Er überlegte, ob der Arzt in diesem Moment mit zusammengekniffenen Augen über seine
Lesebrille hinweg das Telefon anstarrte.
»Ihr Cholesterin, Captain. Ich habe den Bericht an Ihren |101| Vorgesetzten geschickt, aber ich wollte auch mit Ihnen sprechen.«
»Ja.«
»Ihr Cholesterinspiegel ist sehr hoch, Captain.«
»Ist das schlecht?«
Der Arzt gab am anderen Ende ein erstauntes Geräusch von sich. »Das ist eine zutreffende Beschreibung Ihres Zustandes, Captain.
Zusammen mit dem Rauchen, dem deutlichen Übergewicht und der familiären Vorgeschichte, ja, würde ich das als ›schlecht‹ bezeichnen.«
Sollte er dem Arzt sagen, daß er Samstagmorgen angefangen hatte zu schwimmen?
»Wir müssen Sie behandeln. Und Ihre Ernährung umstellen. Sofort.«
Joubert seufzte. »Was muß ich tun?«
Er kaufte eine Sammlung Kurzgeschichten,
Die Hugo-Award-Sieger von 1990,
und einen Roman von Spider Robinson, den Willy ihm ans Herz legte. Kinder spielten auf der Straße vor seinem Haus Cricket.
Er mußte warten, bis sie den Karton, der ihnen als Ziel diente, zur Seite schoben, bevor er in seine Einfahrt fahren konnte.
Das morgendliche Schwimmen hatte ihn hungrig gemacht. In einer Ecke seines Schranks stand eine einsame Dose gebackene Bohnen
in Tomatensauce. Er fragte sich, ob die schlecht für seinen Cholesterinspiegel war. Morgen würde es ihm der Ernährungsberater
sagen können. Er zog ein Castle aus dem Kühlschrank. Er hatte irgendwo gelesen, daß Bier voller gesunder Vitamine und Mineralstoffe
war. Er schraubte die Flasche auf, zog die Plastikdose mit den Cholesterin-Pillen aus seiner Jackentasche, legte sich eine
Pille auf die Zunge und |102| schluckte sie mit einem Mund voll Bier. Das Bier war kalt und ließ ihn erschauern. Er ging ins Wohnzimmer. Er setzte sich
hin und zündete sich eine Special Mild an. Die Zigarette befriedigte ihn nicht. Vielleicht sollte er wieder zu Winstons zurückkehren,
aber weniger rauchen. Oder beeinflußte das Rauchen auch das Cholesterin? Er zog konzentriert an der Zigarette, aber das machte
keinen Unterschied. Er schlug das Taschenbuch bei der ersten Geschichte von Isaac Asimov auf.
Jemand klopfte an der Haustür.
Joubert stellte das Bier hinter seinen Sessel und stand auf. Er öffnete die Haustür.
Jerry Stoffberg stand auf der
Stoep
und hinter ihm Yvonne.
»Abend, Mat.« Stoffberg war nicht so gut gelaunt wie sonst.
Joubert wußte, warum Stoffberg da war, und er spürte, wie sich ein Druck in seiner Brust bildete, und einen Augenblick fragte
er sich, ob das die ersten Anzeichen eines Herzinfarktes waren.
»Hallo, Stoffs«, sagte er angestrengt.
»Können wir reinkommen, Mat?«
»Natürlich.« Joubert hielt ihnen die Tür auf. Ihm fiel auf, daß das Mädchen ihm nicht in die Augen sah, und er wußte, was
er Stoffberg zu sagen hatte. Es war nichts passiert. Das mußte Stoffberg einsehen. Es war nichts passiert – bis jetzt.
Schweigend gingen sie ins Wohnzimmer. Jouberts Zigarette rauchte im Aschenbecher vor sich hin.
»Setzt euch«, sagte er, aber Stoffberg saß schon auf der Couch. Seine Tochter setzte sich neben ihn, als bräuchte sie Unterstützung.
Joubert schluckte. Der Druck in seiner Brust nahm zu.
»Mat, es tut mir leid, dich zu stören, aber in unserer Familie ist etwas Unglückliches vorgefallen.«
|103| »Gar nichts ist passiert«, sagte Joubert abwehrend und schluckte mühsam den überschüssigen Speichel herunter.
»Wie bitte?« Stoffberg verstand ihn offensichtlich nicht. Joubert sah, wie Yvonne ihn mit ärgerlich gerunzelter Stirn anschaute.
»Der Schwager meiner Schwester ist letzte Nacht gestorben. In Benoni. Herzinfarkt. Mit achtunddreißig. Auf der Höhe des Lebens.
Tragisch.« Er schaute auf Jouberts Zigarette im Aschenbecher. »Er hat auch viel geraucht.«
Joubert ging ein Licht auf. Plötzlich begriff er Stoffbergs Laune. Es war das professionelle Gesicht des Mannes. Der Bestattungsunternehmer
bei der Arbeit. Der Druck in Jouberts Brust löste
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