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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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er wollte
     nicht über Lara sprechen.
    »Lara«, sagte er leise und schaute auf die Hände in seinem Schoß, seine dicken Finger zuckten und schienen miteinander |167| zu kämpfen. Es gab andere, vor Lara. Die geheime Verliebtheit seiner Teenagerjahre, die sein Herz schneller schlagen und seine
     Handflächen feucht werden ließ. Eine Lehrerin, ein neues Mädchen von einer anderen Schule, das dunkelhäutige, ernste griechische
     Mädchen mit dem interessanten Geruch im Café an der Ecke Rhodes/Voortrekker.
    Aber sie wußten nie von seiner Leidenschaft, seinen Träumen und Phantasien. Lara schon.
    Er spürte, wie Hanna Nortier ihn anschaute. Dann hörte er ihre Stimme, sanft, fast lautlos, voll Gefühl. »Sie möchten nicht
     über sie sprechen.« Es war eine Frage und eine Aussage zugleich, eine Form des Mitleids – und eine Herausforderung.
    Er war gerührt durch das Mitgefühl in ihrer Stimme. Er spürte das Gewicht der Erinnerung an Lara in seinem Kopf. Sein Geist
     schrie: Erzähl es ihr, Mat Joubert. Wirf den schwarzen Ballast ab, der dich zwingt, dich stets kopfüber in die Dunkelheit
     zu stürzen. Öffne die Schleusen. Laß es einfach raus.
    Aber er konnte ihr nicht alles erzählen.
    Er schüttelte den Kopf. Nein. Er wollte nicht über Lara sprechen.
    »Wir können es langsam angehen.« In ihrer Stimme lag immer noch Mitgefühl.
    Er schaute zu ihr auf. Er wollte den zerbrechlichen Körper Hanna Nortiers mit großer Zärtlichkeit umarmen, er wollte ihre
     spitzen Schultern mit seinen großen Händen bedecken, damit sie nicht so verwundbar aussähe. Er wollte sie voller Liebe und
     Sorge an sich drücken, wie ein Rettungsring. Er war voll Gefühl.
    »Wie haben Sie sie kennengelernt?« Die Worte kaum laut genug, um seine Ohren zu erreichen.
    |168| Er schwieg lange. Zuerst mußte er sein Gefühl unter Kontrolle bekommen. Dann schlich er auf Zehenspitzen durch sein Hirn,
     als würde zu schweres Auftreten die falschen Erinnerungen hervorschießen lassen. Sein Gefühl wirkte wie ein Vergrößerungsglas,
     ein akustischer Verstärker, und erhöhte die Klarheit seiner Erinnerungen. Er sah die Bilder vor sich, er hörte die Geräusche,
     als wäre er wieder dort. Er mußte sich zurückziehen, dann langsam wieder vorwärts schreiten. Laras Gesicht, zum ersten Mal:
     Sie öffnete die Tür, ihr kurzes schwarzes Haar, ihre schwarzen Augen, die wie Suchscheinwerfer vor Lust auf das Leben strahlten,
     ihr lächelnder Mund, ein Eckzahn stand ein wenig schief, ihr Körper so dünn, so lebendig unter dem leuchtend roten Kleid.
     Sie hatte ihn von oben bis unten betrachtet und dann gesagt: »Ich hab nicht
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bestellt«, und sie hatte die Tür geschlossen, nur um sie dann wieder aufzureißen, mit einem Lachen, das ihn einhüllte wie
     Musik. Sie streckte ihm die Hand hin und sagte: »Ich bin Lara du Toit.«
    »Es war ein …« Joubert suchte nach einem besseren Wort, fand aber keines. »Es war ein Blind Date.«
    Nun schaute er Hanna Nortier an, ihre Augen, ihre Nase, ihren Mund – sein Halt am Abgrund seiner Erinnerungen.
    »Hans van Rensburg hatte es arrangiert. Er war Sergeant in der Mordkommission. Sie haben ihn 1992 an einer Straßensperre auf
     der N1 erschossen. Damals trug er eine Uniform, arbeitete in der Wache Sea Point, aber Hans ermittelte in einem Mordfall und
     traf sie dabei. Er sagte, er hätte genau das richtige Mädchen für mich gesehen. Er rief sie an und machte alles klar. Also
     fuhr ich zu ihrer Wohnung. Sie teilte sich eine Zweizimmerwohnung in Kloofnek mit einer Freundin, weil sie beide kein Geld
     hatten. Lara schlief im Wohnzimmer, die |169| andere im Schlafzimmer, Männer durften nur in die Küche. Und dann öffnete sie die Tür und war wunderschön. Sie sagte, wir
     müßten zum Kino laufen, weil es so ein wunderbarer Abend wäre. Laufen, den ganzen Weg von Kloofnek nach Foreshore. Wir hatten
     noch nicht einmal die Straße erreicht, als sie meine Hand nahm und sagte, sie würde gern berührt werden, und die Leute könnten
     sonst denken, ich wäre ihr Bruder, wenn wir nicht Händchen hielten. Sie lachte über meine Schüchternheit, darüber, daß ich
     rot wurde. Dann wurde sie ganz ernst und sagte, ein Mann, der rot würde, wäre ein Mann zum heiraten, und dann lachte sie wieder.«
    Er hörte das Lachen seiner toten Frau, das Lachen jenes ersten Tages, und er erinnerte sich, wie sie später an jenem Abend
     den Berghang hochgegangen waren, die Nacht am Kap ganz still um sie herum. Lara

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