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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Er konnte sie vor sich sehen, diese Riesenfrau vor James J. Wallace, neben Drew Wilsons
     Wagen.
    Sie hielt kurz vor der Wohnzimmertür inne. »Warten Sie hier«, sagte sie und machte eine Handbewegung, dann ging sie weiter
     den Flur entlang. Er betrat das Wohnzimmer und setzte sich in einen Sessel, er fühlte sich unwohl und amüsierte |158| sich gleichzeitig über dieses Gefühl. Seine Aufgabe bestand darin, ohne jedes Vorurteil nach Mördern zu suchen – schönen und
     häßlichen, dicken und dünnen, alten und jungen. Nur im Film und Fernsehen waren die Mörder stets unattraktive Stereotypen.
    Als er jedoch Mrs. Standers schwere Schritte wieder im Flur hörte, näherte sich seine Hand seiner Dienstwaffe, und er fühlte,
     wie sein Körper sich anspannte, damit er schneller aufspringen konnte.
    Sie hatte eine Holzkiste in den Händen. Sie setzte sich neben ihn und hielt ihm wortlos die Kiste hin.
    Joubert nahm sie. Er betrachtete die Schnitzarbeit darauf – Buren-Soldaten auf ihren Pferden, kleinste Details an den Tieren,
     an den Hüten der Männer, an ihren Mänteln und Waffen, waren präzise und liebevoll in das Holz gearbeitet. Er berührte das
     kleine Kunstwerk beeindruckt.
    »Mein Großvater hat sie auf St. Helena gemacht«, sagte die Frau.
    »Er war Soldat. Und dort natürlich Kriegsgefangener.«
    Joubert öffnete die Kiste.
    Er hatte die Zeichnung gesehen, die Grafik einer Mauser war am Morgen im
Burger
abgebildet gewesen. Er hatte sich an Form und Aussehen erinnert, aber die Grafik hatte ihn nicht auf das Metall und das Holz
     vorbereitet, die Kurven und Kontraste der Waffe.
    Sie sah gar nicht wie eine Mordwaffe aus.
    Die Form des Laufs, der Winkel, in dem sich der schlanke Griff anschloß, waren feminin – eine sanfte, sinnliche Kurve. Das
     Magazin, eckig, grob, massig, steckte störend vor dem Lauf, wie ein männliches Sexualorgan. Er hob die Mauser aus der Kiste.
     Sie war leichter, als sie aussah. WAFFENFABRIK |159| MAUSER OBERNDORF las er auf dem Rahmen. Er drehte die Pistole um, schaute in den Lauf hinein, roch den Duft des schwarzen
     Metalls und des dunklen Holzes.
    Ihm war klar, daß dies nicht die Mordwaffe war.
    »Sie müssen sie ölen«, sagte er Mrs. Stander, die sich in ihrem Sessel vorbeugte, ihr Blick war auf sein Gesicht gerichtet.
     »Im Lauf ist Rost.« Dann legte er die Waffe vorsichtig und respektvoll zurück in die Kiste.
    Als er nach Paarl fuhr, zum nächsten Mauser-Besitzer auf seiner Liste, dachte er über den Mörder nach. Warum diese Waffe?
     Warum eine Pistole wählen, die Aufmerksamkeit auf sich zog wie ein Leuchtturm in der Nacht? Warum Munition verwenden, die
     ein Jahrhundert alt war und die einem noch dazu im entscheidenden Augenblick den Dienst versagen konnte? War das Ganze doch
     eine politische Geschichte? »Die Stimme der Buren ist nicht verstummt.«
    Zwei Opfer, eines englischsprachig, ein Frauenheld, das andere sprach Afrikaans und war homosexuell. »Unsere Buren-Stimme
     ist nicht verstummt, und wir erschießen immer noch Engländer und Schwule.«
    Nein, das war zu einfach. Zu eindimensional. Es war vielleicht ein Statement, aber ein Statement anderer Art. Einer Art, Aufmerksamkeit
     anzuziehen. Zu sagen: »Ich bin anders. Ich bin etwas Besonderes.«
    Die übrigen sieben Namen und Adressen auf seiner Liste führten ihn in zwei Altenheime, zu drei Pensionären und zwei Hobby-Waffensammlern.
     Er sah vier verschiedene Modelle der Mauser Broomhandle, alle ein wenig unterschiedlich, alle mit ihrem eigenen erschreckenden
     Charme.
    Er fand keinen Verdächtigen auf seiner Liste.
    |160| Spät am Nachmittag fuhr er zurück nach Kapstadt. In der Stadt, an einer roten Ampel, unterwegs zu Dr. Hanna Nortiers Praxis,
     stand der
Argus -
Zeitungsjunge neben seinem Wagen. Joubert konnte mühelos die Schlagzeile lesen:
    SCHÜSSE AUS DER VERGANGENHEIT.

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    Als er ihr durch die Tür folgte, fiel ihm auf, daß sie ein schlichtes Kleid trug, dunkelblauer Stoff mit einem Muster aus
     kleinen roten und orangefarbenen Blüten. Es reichte bis unter ihre Knie. Er konnte ihre Muskeln und ihre Schulterblätter sehen
     und fragte sich, wer ihr Ernährungsberater war.
    Sie setzten sich.
    Ihm fiel auf, daß ihre zerbrechliche Schönheit heute blaß wirkte, das Lächeln war höflich, aber nicht warmherzig, ein wenig
     künstlich.
    »Wie geht es Captain Mat Joubert?« fragte sie und schlug seine Akte auf.
    Was sollte er sagen? »Gut.«
    »Haben Sie sich mit der Tatsache

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