Der Traurige Polizist
über eine Lösung nachzudenken. Was mußte er heute tun?
Oliver Nienaber. Der Verdächtige Nummer eins. Gerrit Snyman parkte wahrscheinlich schon vor seinem teuren Haus und war bereit
für die erste Runde Folge-dem-Friseur. Dann die Obduktion. Er mußte fragen, ob der Pathologe |290| einen Todeszeitpunkt hatte feststellen können. Damit konnte man Nienaber vielleicht drankriegen … trotz Petersens Schlag.
Außerdem mußte er mit den Angehörigen der bisherigen Opfer über MacDonald sprechen. Wer hatte ihn gekannt? Wo hatten sie sich
getroffen? Und dann der Bankräuber. Er mußte Brigadier Brown fragen, ob inzwischen in allen Zweigstellen der Premier Bank
Mitarbeiter postiert waren.
Noch zwei Tage, dann würde er Hanna Nortier wiedersehen, dachte er. Nur zwei Tage.
Er wollte sie fragen, ob sie mit ihm ausginge. Wohin? »Wollen wir in der Kantine mal was trinken, Doc?«
Ha.
Dinner bei Kerzenlicht in einem guten Restaurant, eins von denen in Sea Point, mit den schweren Vorhängen, vielleicht eins
von den neuen an der Waterfront, über die alle redeten? Nein. Nicht beim ersten Mal – das wäre zu intim, zu persönlich.
Vielleicht ein Film. Aber was? »Haben Sie schon
Rocky VII
gesehen, Doc?« Oder vielleicht einen dieser europäischen Streifen mit Untertiteln, die in den südlichen Vororten gezeigt wurden?
Nein. Zu viele nackte Brüste und zuviel Sex. Dann bekam sie den falschen Eindruck von ihm.
Joubert merkte plötzlich, daß er unbewußt doch mitgezählt hatte, er war acht Bahnen geschwommen. Und wollte mehr.
Er konnte es gar nicht glauben. Acht Bahnen. Wer sagt’s denn? Acht verdammte Bahnen.
Wer mußte das Rauchen aufgeben? Er wendete, so wie er es vor all den Jahren gelernt hatte, mit einer geschmeidigen Bewegung,
seine Füße stießen sich an der Mauer des |291| Schwimmbeckens ab. Er glitt durchs Wasser, bis sein großer Körper die Oberfläche durchbrach und er die Arme ausstreckte und
den Kopf zur Seite wandte, um einzuatmen, und er reckte seine Brust für den nächsten Armschlag aufwärts, und dann den nächsten.
Links, rechts, links, atmen, rechts, links, rechts, atmen …
Er schwamm weitere vier Bahnen, rhythmisch, leicht, während sein Herz tief in seiner Brust schlug. Er war immer zufriedener,
bis er nach der zwölften Bahn spürte, daß es großartig gewesen war – aber auch reichte. Er stemmte sich mühelos aus dem Wasser
und tropfte, als er in die Umkleide marschierte. Der lange Saal war um diese Zeit immer noch leer, und plötzlich war die Versuchung
übergroß. Er schrie: »Ja-aa!«
Der explosive Laut hallte durch das Gebäude. Der Klang, der in seine Ohren zurückdrang, war peinlich, aber das Gefühl legte
sich um ihn wie ein Umhang, und es war noch da, als er vor der Wache in Hout Bay aus dem Wagen stieg, an den Stimmen der Journalisten
vorbeiging, die Treppe hoch und durch die große Holztür.
Aber es schmolz und verlor sich, als er den District Commissioner sah, den Chief of Detectives und de Wit.
Sie begrüßten ihn, die Blicke der drei Vorgesetzten ruhten hoffnungsvoll auf Joubert. Sein eigener Blick verriet nichts. Sie
gingen mit ihm in den Konferenzsaal und schlossen die Tür.
Joubert erzählte ihnen alles – bis auf Petersens Schlag. An dieser Stelle begann er zu lügen. »Wir mußten Nienaber freilassen.«
»Sie mußten ihn freilassen«, wiederholte der District Commissioner erstaunt, ohne jede Betonung.
|292| »Wir haben an den Ruf der Polizeikräfte gedacht, General, in dieser schwierigen Zeit. Es geht auch um unser Image. Oliver
Nienaber ist ein bekannter Mann. Wenn wir ihn einsperren, müssen wir über angemessene Beweise verfügen. Und die liegen nicht
vor. Ein Zeuge hat ihn am Tatort gesehen. Der Leichenbeschauer hat noch nicht einmal feststellen können, ob MacDonald mehr
oder weniger um diese Zeit ermordet wurde. Wir haben keine Beweise, daß Nienaber eine Mauser besitzt. Seine Geschichte könnte
tatsächlich stimmen. Aber unser Image, General … Wenn wir jetzt den falschen Mann anklagen …« Joubert ritt auf dem Image herum,
denn er wußte, daß dies sein bestes Argument war.
»Ja-a-a-a«, sagte der General nachdenklich.
»Allerdings lasse ich Nienaber beschatten, General.«
»Was sagen wir der Presse?« fragte der Brigadier. »Nach dem Drama letzte Nacht bei der Pressekonferenz sind sie wie Hyänen,
die Blut gerochen haben.
Die Burger
schreibt sogar, daß heute möglicherweise jemand angeklagt werden wird. Wie
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