Der Traurige Polizist
kommen sie nur auf solchen Unsinn?«
Stille breitete sich im Saal aus.
»Haben wir sonst gar nichts, Captain?« fragte der General, obwohl er die Antwort schon kannte.
»Wir müssen heute viele Spuren weiterverfolgen, General. Vielleicht kommt dabei etwas heraus.«
»Wir müssen vor der Presse positiv klingen. Ich werde ihnen sagen, daß wir einen Durchbruch erzielt haben und zur Zeit neuen
Spuren folgen. Und das entspricht ja im Grunde auch der Wahrheit.«
»Das Medium«, sagte de Wit. Es war sein erster Beitrag. Die anderen starrten ihn an. »Sie kommt heute abend. Madame Jocelyn
Lowe.«
|293| »Das können wir der Presse doch nicht sagen, Bart.« Der Brigadier klang irritiert.
»Ich weiß, Brigadier. Werden wir auch nicht. Aber die Madame hat eine eigene Pressestelle. Und die Mitarbeiterin dort sagte,
sie würde heute morgen Faxe an die Zeitungen hier schicken. Aus London.« De Wit schaute auf seine Uhr. »Ich verspreche Ihnen,
unser mangelnder Erfolg wird heute nachmittag nicht das Hauptthema sein.«
»Ich hoffe, Sie haben recht, Bart«, erwiderte der General. »Gehen wir und sprechen mit den Geiern.«
Während der General sich den Pressevertretern stellte, wartete Joubert am Rande. Er hörte zu, dachte aber weiter darüber nach,
was noch alles erledigt werden mußte. Hier und da bemerkte er die Fragen der Journalisten: »Wann ist mit einer Verhaftung
zu rechnen?« – »Besteht eine Verbindung zwischen den Morden und den Banküberfällen?« Das Übliche. Dann etwas Neues. »General,
haben Sie davon gehört, daß der so genannte Feldmarschall der Armee der Neuafrikanischen Burenrepublik gesagt hat, die Mauser
sei die Stimme, welche die Afrikaaner wieder zur Verteidigung ihrer Nation an die Waffen rufe?«
»Nein«, sagte der General.
Der Reporter blätterte in seinem Notizbuch. »Ich zitiere: ›Die Mauser ist die Stimme unserer Vorväter, das Echo ihres Blutes,
das in zwei Kriegen für die Freiheit im Angesicht übermächtiger Gegner vergossen wurde. Es ist ein Trompetenstoß für den Aufstand
einer Nation, ein Kriegsruf aus einer vergessenen Zeit, in welcher der Stolz der Afrikaander noch rein und wahrhaftig war.‹«
Die Journalisten schwiegen. Der General ebenfalls. Joubert sah auf seine Schuhe, die im hellen Morgenlicht glänzten.
|294| »Ich möchte Captain Joubert bitten, diese Frage zu beantworten«, sagte der General.
Joubert starrte in die erwartungsvollen Gesichter, einen Augenblick lang war er sprachlos. Panisch suchte er nach Worten,
wählte aus, verwarf, entschied sich für andere, bis er schließlich vorsichtig zu sprechen begann. »Im Moment können wir kein
Motiv für die Morde abschließend verwerfen. Um ehrlich zu sein, haben wir von Anfang an auch politische Motive in Betracht
gezogen. Aber ich muß Ihnen sagen, daß es bisher keinen Grund gibt, zu glauben, daß irgendeine politische Gruppe direkt oder
indirekt in die Sache verstrickt ist.«
»Aber Sie können es nicht ausschließen?« fragte ein Radioreporter mit ausgestrecktem Mikrofon.
»Wir können im Moment
gar nichts
ausschließen.«
Den Journalisten wurde klar, daß die kurze Pressekonferenz vorbei war, und sie begannen zu gehen. Die Fernsehleute packten
ihre Geräte ein, die Fotografen schraubten ihre Blitzlichter ab. Joubert ging die Treppe hinauf, zurück in die Einsatzzentrale.
Er mußte den Leichenbeschauer anrufen.
Professor Pagel, der Pathologe, beschwerte sich über O’Grady. »Der Mann hat keinen Respekt vor dem Tod, Captain. Ich würde
es bevorzugen, wenn Sie das nächste Mal wieder dabei wären. Ich empfinde seinen Galgenhumor als äußerst unprofessionell.«
Joubert murmelte eine Entschuldigung, dann fragte er nach MacDonalds Todeszeitpunkt.
»Schwer zu sagen, Captain. Sie wissen, daß ich Ihnen keine genaue Zeit geben kann.« Immer diese akademische Vorsicht, geschult
durch tausend Aussagen im Zeugenstand. »Es sieht |295| jedoch nach 6.00 Uhr aus, mit sechzig Minuten Spiel in beide Richtungen.« Dann begann er zu erklären, wie er daraufkam. Joubert
wurde durch eine Stimme gerettet, die aus einem anliegenden Büro seinen Namen rief. Er entschuldigte sich und ging hinüber.
Der Constable hielt ihm einen Hörer hin. Er griff danach.
»Joubert.«
»Captain, hier ist Margaret Wallace.«
»Guten Morgen, Mrs. Wallace.«
»Captain, ich weiß nicht, ob Ihnen das helfen wird oder nicht, aber ich glaube, Jimmy kannte eines der anderen Opfer.«
Er hörte sie die
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