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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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blendete ihn, verwandelte seine Zunge in geborstenen Ton. Dicht unter der Haut rieselte ein Feuer den Rücken herab, hinterließ sein Gesicht kalt und fahl wie dürres Gras, während der Schweiß aus allen Poren drang.
    Zwei, drei tiefe Atemzüge bei geschlossenen Lidern dämpften den Aufruhr, und er ertappte sich dabei, wie er das dünne Mähnenhaar anstarrte, das aus dem Widerrist wuchs. Er schüttelte leicht den Kopf, ließ das Strohbündel fallen und klopfte Haare und Staub von den Händen.
    Er wollte an ihr vorbeigehen, weg von ihr, den Blick auf den Rappen geheftet, den er als Nächsten versorgen würde, als er erkannte, dass der Fremde sich einige Schritte entfernt hatte. Cinna hob den Kopf, hart umklammerten seine Finger Sunjas Handgelenk, härter als beabsichtigt drückte er ihren Arm, fühlte die Wärme ihrer Haut.
    »Du tust mir weh!«, stieß sie leise hervor.
    Sofort löste Cinna den Griff, die Finger blieben auf ihrer Hand liegen, glitten darüber. Ihre Blicke trafen sich, und er versuchte ein entschuldigendes Lächeln, doch er spürte, dass es ihm misslang.
    »Hat der Kerl es gewagt, dich anzufassen?«
    Die Stimme des Fremden weckte ihn. Rasch riss er sich los, ging zu den übrigen Pferden, und auf ein Schnalzen hin trottete Cheimon ihm nach,
    »Nein … nein«, murmelte sie hinter ihm. »Der Hengst … er schnappt manchmal.«
    Cinna verknotete die Leine, die von Cheimons Halfter hing, mit denen der anderen Pferde und wandte sich, halb verdeckt vom Körper des Tieres, zurück. Der Fremde berührte sie an der Schulter und wies auf die Menschen, die sich jetzt in Gruppen auf den Weg ins Tal machten. Sunja blieb jedoch stehen und hielt ihr Handgelenk fest umklammert, während sie zu den Pferden schaute. Ihre Augen suchten allerdings nicht den Fuchs, als sie in Begleitung des Fremden den Weg hinunterging.
     
    Hraban hastete zu den Pferden, blieb dicht vor Cinna stehen, begleitet von Inguiomers, der unter seinem Umhang einen Riemen zum Vorschein brachte. Als er auf Cinna zutrat, wich dieser zurück.
    »Du musst mitkommen«, sagte Hraban. »Ermanamers hat durchgesetzt, dass das Volk über dich entscheiden soll.«
    Ebenso gut hätte Hraban ihm einen Stoß in den Magen versetzen können, als er nach Cinnas Arm griff, fahrig den Riemen darumwickelte und die Hand ausstreckte.
    »Dreh dich um und gib mir deinen Arm – es muss sein.«
    Cinna ergab sich. Langsam wandte er Hraban den Rücken zu und wehrte sich nicht, als seine Hände fest zusammengeschnürt wurden und ihn eine Lähmung befiel, die jeden Gedanken auslöschte. Sie nahmen ihn in die Mitte und führten ihn den Hang hinunter, ihre Augen starr nach vorn gerichtet. Inguiomers’ Griff war unentschlossen; Cinna hätte ihm mühelos entschlüpfen können, wenn er die nötige Kraft verspürt hätte, doch er war matt, die Knie weich, und in seinem Kopf gähnende Leere.
    Er fühlte das feine Zittern der Arme, das Schlottern der Knie, als gehörten diese Glieder einem anderen, den er teilnahmslos beobachtete. Am Tor erwartete sie Inguiotar, begleitet von einigen Edlen, unter denen Cinna neben Liuba Thiudawili erblickte und Badwareiks. Sogar Sunjas aufgeschwemmter Verehrer war zurückgekehrt, um dem Vater seiner Angebeteten die Ehre zu erweisen. Obwohl Inguiotars Miene nichts verriet, kannte Cinna ihn gut genug, um zu erkennen, dass er tief beunruhigt war. Sein Blick streifte die Geisel kaum, als er sich umdrehte und den Gang ins Tal fortsetzte.
    Sie durchschritten das Tor in der Mauer, die diese Siedlung umschloss – nichts weiter als ein steiler Wall, den eine dürre Palisade krönte, und ein Graben, weitaus nachlässiger als die Befestigungen, die gerade um Inguiotars Siedlung erbaut worden waren. Das Zeltlager war menschenleer, doch das Brausen zahlloser Stimmen verriet, dass sie sich dem Ort näherten, an dem die Versammlung stattfand.
    »Halt den Kopf hoch!«, zischte Hraban ihm zu, als sie die äußersten Reihen erreichten. »Aber blicke niemandem in die Augen!«
    Obwohl es kaum möglich war, an den Männern, die teils vor ihm, teils neben ihm gingen, vorbeizusehen, verrieten der Lärm und der Geruch von Schweiß und Leder, Wolle und ranzigem Fett, dass sie in eine Menschenmenge eintauchten, die sich ihnen geradezu widerwillig öffnete – erst Frauen und Kinder, dann, durch ein Seil getrennt, die Männer. Stimmen schwirrten über die Köpfe hinweg, Schreie, drohendes Gezischel. Als die Sonne zwischen den Wolken aufstrahlte, funkelten Rüstungen und

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