Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
Vom Netzwerk:
Gesicht war im Dunkel der Kapuze verborgen bis auf die Nasenspitze und die Lippen, die sie fest zusammenpresste.
    »Geht zurück, bevor euch jemand sieht. Was denkt ihr euch überhaupt dabei, hierher zu kommen?«
    »Ich wollte zu dir«, erwiderte Saldir trotzig.
    »Um mir zu sagen, dass du stolz auf mich bist?«
    »Es ist mir wichtig. Ich will, dass du es weißt. Was immer Arminius auch über dich sagt, ich glaube es nicht.«
    Verstohlen zog Sunja einen Beutel unter dem Mantel hervor und schob ihn durch das Gitter. »Das schickt dir Mutter. Aber sei vorsichtig, dass deine Nachbarn dich nicht verraten.«
    Kaum schlug er das Tuch auf, als ein feiner Duft von Brot und Speck seine Nase umwehte; sofort gab einer der Hunde ein leises Jaulen von sich. Saldirs Rechte schloss sich um sein Handgelenk, drückte es sanft und ermutigend.
    »Es wird ein Ordal geben, um den Streit zu entscheiden.«
    »Ein … was?«
    »Einen Zweikampf«, mischte sich Sunja ein, »ein Gottesurteil, das entscheiden soll, wessen Forderung die Götter unterstützen, damit das Heer nicht gespalten wird.«
    »Du kannst dir sicher vorstellen, dass mir das ganz recht wäre?«, murrte Cinna. »Und wer wird kämpfen?«
    »Das ist noch nicht entschieden. Es geht nicht nur um dich.«
    »Sondern auch um diesen Burschen?« Cinna wies hinter sich auf den anderen Gefangenen, der über seinen Arm hinweg argwöhnisch herüberschielte.
    »Nein, der gehört Ermanamers’ Vater.«
    »Das erklärt einiges!« Jäh ließ Cinna die Stangen fahren, tat einen Schritt rückwärts. »Welche Schande für den Anführer des Aufstandes, dass sein treuer Gefolgsmann den Fehler beging, einen hochrangigen Gefangenen bei seinem eigenen Vater zwischenzulagern, welcher nun nicht bereit ist, die hübsche Beute widerspruchslos abzuliefern.«
    Sie kniff die Lippen zusammen, bis sie weiß wurden; als sie sie wieder öffnete, färbten sie sich sofort wieder in diesem lebhaften, dunklen Rot. Er ahnte, warum sie gekommen war – warum ausgerechnet sie gekommen war.
    »Und dann erdreistet sich diese Beute, vor eurer Heeresversammlung mit rhetorischen Kniffen zu glänzen«, setzte er spitz hinzu.
    »Bilde dir ja nichts darauf ein«, zischte Sunja. »Wer weiß, ob du uns mit dieser flammenden Rede nicht geschadet hast – und dir selbst dazu!«
    Saldir lächelte matt, und ihre Finger schlossen sich um seine Hand. »Keine Angst, es –«
    »Du wirst ihm nichts sagen!«, herrschte Sunja sie an, riss sie weg vom Käfig, wobei ihr die Kapuze vom Kopf rutschte. Ihr Haar schimmerte hell, zwei scharfe senkrechte Falten teilten ihre Stirn, und ihre Wangen waren bleich vor Zorn.
    »Aber dann wird er nicht erfahren –«
    »Soll er halt dumm sterben!« Sie packte ihre jüngere Schwester am Handgelenk und zerrte sie weg.
     
    Cinna hatte sich wieder niedergelassen, legte das duftende Bündel auf seinen Schoß, entfaltete das Tuch und blickte auf mehrere kleine Brotfladen und dünne Speckstreifen. In der Hoffnung, sie würden ihm nochmals auf diese Weise ein Messer zustecken wollen, durchsuchte er den Inhalt, aber vergeblich. Verdrossen hieb er die Faust auf den Boden.
    Der andere Gefangene linste über seine auf den Knien verschränkten Arme hinweg herüber. Cinna brach einen Fladen in Viertel, stopfte einen Speckstreifen in ein Stück Brot und gab vor, hineinbeißen zu wollen. Der Bursche schrak zusammen.
    Cinna hielt inne und sah ihn an. Aus den Augen des anderen Gefangenen glitzerte der Hunger. Es wirkte.
    Cinna streckte ihm die Hand mit dem Fladen ein Stück entgegen. »Sagst du mir jetzt deinen Namen?«
    Als er sich vorbeugte, um den Abstand zu verkürzen, stieß der andere eine Hand aus und riss das Brot an sich, um gierig seine Zähne hineinzuschlagen. Da es sich nicht teilen ließ, stopfte er es sich in den Mund und kaute mit prall gefüllten Backen. Cinna füllte ein weiteres Stück Brot mit Speck.
    »Trebius … Aulus Trebius«, stammelte der Bursche, kaum dass er den Brocken verschlungen hatte, und starrte das Bündel auf Cinnas Oberschenkeln an. »Gefreiter … Schreiber im Stab des Legaten Numonius Vala.«
    Nachdem Trebius seine Finger abgeleckt hatte, reichte Cinna, dem nicht nach Essen zumute war, seinem ausgehungerten Zellengenossen das zweite Viertel und versuchte dabei, das Zittern, das ihn beherrschte, zu unterdrücken. Nicht nur, dass ein Überlebender des Gemetzels, das Arminius angerichtet hatte, vor ihm saß – wenn er Sunja richtig verstanden hatte, gehörte der arme Kerl

Weitere Kostenlose Bücher