Der Tribun
versammelt hatten und von denen viele in das misstönende Konzert der Schreie einstimmten. Zwischen ihnen stand Sunja, die Arme fest um die Schultern ihrer kleinen Schwester geschlungen. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt und starrte ihn an, den Mund leicht geöffnet, die Augen ein wenig geweitet. Sie hatte Angst.
Um ihren Vater und ihre Brüder musste sie nicht fürchten, ihnen galt ihre Aufmerksamkeit auch nicht. Cinna spürte den Treffer im Genick und das süße Gift, das unter seiner Haut brannte. Wenigstens das war ihm gelungen.
Er nahm kaum wahr, dass er fortgezerrt wurde, der Tumult verblasste. Da war nur noch Sunjas Blick, der ihm galt. Ihm allein.
XVI
Flankiert von zwei grimmig dreinschauenden Wächtern, folgte Cinna einem der weiß gewandeten Priester zur Siedlung zurück, die jetzt vollständig verlassen war. Die flache Hügelkuppe krönte ein eingezäuntes Anwesen, Inguiotars Hof nicht unähnlich. Sie überquerten den freien Platz, vorbei an einigen Holzschuppen. Neben einer Hütte standen mannshohe Käfige, in denen Wachhunde wild bellend aufsprangen, als sich die Männer näherten. Dicht vor den Käfigen wurde Cinna von einem der Bewacher durch einen harten Griff zum Stehen gebracht. Die wolfsähnlichen Tiere warfen sich mit wütendem Belfern gegen die Gitterstäbe, dass der Geifer umherspritzte. Cinna straffte sich mühsam, doch seine Glieder verkrampften sich zunehmend, bis er sogar den Kopf einzog, was die Barbaren sichtlich erheiterte.
Einer der Käfige, der letzte in einer Reihe von drei Zwingern, war leer. Die Männer entriegelten die Tür in der Seitenwand und stießen ihn auf ein Bündel schmieriger, stinkender Decken. Kaum hatten sie die Tür umständlich versperrt, entfernten sie sich über den Hof, ohne ihn weiter zu beachten.
Vorsichtig kroch Cinna von den Decken weg, kauerte sich in einen Winkel und wischte mit dem Hemdsärmel den schaumigen Geifer vom Gesicht. Dieser Zwinger war kaum größer als der Schuppen, in dem er auf Inguiotars Anwesen zweimal eingesperrt worden war. Die rasenden Tiere beruhigten sich allmählich, knurrten nur noch, einige suchten ihre Schlafplätze auf, um sich dort einzurollen. Angst hockte kalt und grau in Cinnas Magen und flüsterte ihm zu, er sei dumm gewesen, das Wort zu ergreifen, denn jetzt würden sie ihm endgültig den Garaus machen. Er vergrub das Gesicht in den Händen und atmete einige Male tief durch. Immerhin hatte er sich von Arminius nicht einschüchtern lassen, sondern dessen Kriegern laut und deutlich gesagt, dass ihnen kein Spaziergang bevorstünde. Und zumindest einige der Fürsten begriffen, was Arminius’ Ehrgeiz und seine Macht für ihre eigene Unabhängigkeit bedeutete. Und Sunja fürchtete um ihn. Obwohl ihre Sorge ihm nichts half, zu wissen, dass er ihr nicht gleichgültig war, dämpfte die Kälte in seinem Leib.
Er rieb sich Augen und Schläfen, als er ein leises Schnüffeln und Zittern in den schmutzigen Decken bemerkte. Darunter, das hatte er schon im Fallen erkannt, verbarg sich etwas Hartes, vielleicht ein Tier. Er meinte die Angst riechen zu können, die das Wesen verströmte. Ein blutrünstiger Wachhund war es jedenfalls nicht. Vorsichtig hob er einen Zipfel der Decke und stutzte.
Aus braunen, ausgefransten Hosenbeinen krümmten sich magere, von feinem, dunklem Flaum bedeckte Schenkel, umkrallt von Händen, auf denen Knöchel und Sehnen, Narben und Aderngeflecht ein bebendes Schattenspiel schufen. Schnell warf Cinna die Decke zur Seite und sah den zusammengekrümmten Körper eines jungen Menschen in schmutzigen Lumpen, ein fein geschnittenes Gesicht mit zugekniffenen Augen und flatternden Nasenflügeln, umrahmt von dunkelbraunem Haar.
Der unerwartete Schicksalsgenosse blinzelte ängstlich, riss die Augen auf und starrte Cinna bestürzt an. Zitternd lag er im Dreck, löste zögernd die verkrampften Finger voneinander und streckte einen Arm nach ihm aus, die Fingerspitzen trafen Cinnas Knie. Die Berührung durchzuckte beide.
Cinna fand als Erster die Sprache wieder. »Wer bist du?«
Der Fremde schützte das Gesicht mit den Armen. Cinna argwöhnte, dass es die Sprache war, der harte cheruskische Dialekt, der den anderen erschreckte.
»Keine … Angst«, brachte er mühsam hervor, nun in seiner eigenen Muttersprache. »Wie heißt du?«
Der andere blickte ihn über die Arme hinweg aus dunklen Augen an; als Cinna die Hand auf seine Schulter legen wollte, wich er zurück.
»Fass mich nicht an!«
Die Arme fest um
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