Der Tribun
Arminius’ steinaltem Vater, und wenn er die Lage richtig einschätzte, dann befanden sie sich in diesem Moment beide auf dessen Anwesen und in dessen Gewalt.
»Vala … Hat er es geschafft zu entkommen?« Angestrengt setzte Cinna die Worte der ungewohnten Muttersprache.
Trebius zuckte die Achseln und verschlang hastig Bissen für Bissen, ohne sich die Mühe zu machen, lange zu kauen. Bei dem Gedanken, wann der arme Kerl zum letzten Mal eine anständige Mahlzeit zu sich genommen haben mochte, schauderte Cinna. Er knüpfte die Zipfel des Tuches zusammen und warf es Trebius zu; ihm war der Appetit restlos vergangen, während der andere sofort nach dem Bündel griff und sich Speck und Brot in den Mund stopfte.
»Wo haben sie dich geschnappt?«, fragte Cinna.
Trebius fuhr zusammen, als habe ihn etwas gebissen. Die Brocken fielen zu Boden, als er die Arme fest um die Beine schlang und das Gesicht zwischen den Knien versteckte, während sich die Schultern unter seinen keuchenden Atemzügen hoben und senkten. Dabei fiel Cinnas Blick auf die Hände des jungen Gefangenen, auf die Fingernägel, vielmehr das, was davon übrig geblieben war. Er erinnerte sich an Margio, an das, was dem Gallier zugestoßen war, und schluckte.
»Haben sie dich gefoltert?«
Trebius warf den Kopf hoch, seine schmalen Augen funkelten in der Finsternis, seine Wangen bebten. »Wenn du’s genau wissen willst: Ich habe alles gesagt, was sie wissen wollten – und wenn schon!« Er zerrte das Hemd bis über die Brust hinauf, entblößte Haut, die wie Tuch aussah, verdrehtes, verzogenes Tuch.
»Siehst du das? Das war kochendes Wasser! Hast du eine Ahnung, wie sich das anfühlt?«
Cinna blieb stumm, die Bilder einer früheren Begegnung mit Arminius vor Augen.
»Verdammte Barbaren!«, zischte Trebius. »Verprügelt haben sie mich bei jeder Gelegenheit. Und ihre Spielchen gespielt.« Er fuhr hoch. »Da habt ihr Ritter und Senatoren es schon besser: Euch tun sie nichts. Ihr dürft an ihren feinen Tafeln speisen, schlaft in weichen Betten, könnt euch waschen und rasieren, bekommt jedes Mädchen, das ihr haben wollt, die Lämmchen ebenso wie die Wildkatzen.« Er schnappte nach Luft. »Hast du die Kleine vorhin gesehen, die Blonde? Wie eine rollige Katze! Du musst nur noch das Kleidchen heben –«
»Schweig!«, fuhr Cinna ihn an.
»Ach, so ist das?«, wisperte Trebius giftig. »Du wirst doch wohl nicht etwa deine Herrin gefunden haben?« Ein dünnes Lachen quälte sich aus seiner Brust. Dann schrak er hoch, als bemerke er etwas. »Hercules soll mich …!«, stieß er erstickt hervor. »Noch einer! Was wollen die?«
Langsam drehte Cinna sich um. Über den Hof näherte sich eine dunkle Gestalt, deren Gang er nur zu gut kannte. Während er sich aufrichtete, kramte Trebius hastig die Reste seiner Mahlzeit zusammen und verstaute sie unter den Decken, bevor er wieder in seiner kauernden Haltung versank, just in dem Moment, als Hraban den Käfig erreichte. Schnell stieß seine Hand aus dem Mantel hervor, und die Finger umklammerten Cinnas Arm.
»Wenn du einen Segen zu geben hast, dann gib ihn mir, Gaius Cornelius Cinna«, stieß er hervor. »Und bete, dass deine Schule gut war!«
»Was hast du vor?«
»Ich werde morgen bei Sonnenaufgang gegen Andagais kämpfen, damit geschieht, was die Götter wollen.«
»Das ist nicht dein Ernst?«
Hraban nickte langsam.
»Das wirst du nicht tun!« Wild umklammerte Cinna Hrabans Arme. »Es ist genau das, was Ermanamers will – dass du stirbst.«
»Ich werde nicht sterben.«
»Denk an deinen Vater, deine Geschwister! Lass sie nicht im Stich! Lass dich nicht umbringen für …« Cinna ließ Hraban los und tat einen Schritt zurück.
Bewegungslos stand Hraban vor dem Gitter und schwieg.
»Verdammt, Ermanamers will sich Genugtuung verschaffen, weil ich mich aufgespielt habe. – Hraban, lass es gut sein! Du darfst dich nicht opfern!« Er stockte.
Hraban griff nach Cinnas Schultern und zog ihn an sich. Die Gitterstäbe schrieben scharfe Male in ihre Gesichter.
»Ich muss es tun«, flüsterte Hraban. »Ermanamers hat dieses Opfer ansetzen lassen – das kann niemand mehr verhindem, nicht einmal er selbst. Aber ob wir dich dazu ausliefern müssen, das werden wir morgen mit Hilfe der Götter herausfinden.«
»Hraban, ich will es nicht!«
Hraban presste seine Finger schmerzhaft um Cinnas Schultern. »Du hast mein Blut vergossen und ich deines. Du bist mein Freund, mein Bruder.«
Bewegungslos standen sie an dem
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