Der Tribun
Truppe straffte sich, die Waffen waren griffbereit, die Schilde bildeten eine niedrige Mauer vor ihnen. Jeweils zwei Männer standen versetzt, und der hintere hatte sein Pferd neben sich.
Im vergangenen Frühjahr hatte Cinna Übungsgefechte der Hilfstruppen aus der Germania beobachtet. Diese Krieger kämpften paarweise, Reiter und Fußsoldat, und sie bevorzugten lange, derbe Spieße anstelle von Schwertern. Im Nahkampf saß der Reiter vom Pferd ab, und sie fochten sich Seite an Seite voran; gerieten sie in Bedrängnis, sprangen sie nacheinander auf das Pferd und stoben davon. Die Beweglichkeit dieser Truppen hatte sich bei der Niederschlagung der Aufstände im Illyricum überlegen gezeigt.
Nachdem Hraban einige Worte mit Waihtis gewechselt hatte, winkte er Cinna zu sich. Waihtis’ Miene verhieß nichts Gutes, er runzelte die Stirn, bis seine Augen beinahe unter den buschigen Brauen verschwanden, und verschränkte die Arme vor der Brust. Den Eichenstock hatte er unter die Achsel geklemmt.
»Waihtis hat Erfahrung darin, Soldaten auszubilden«, begann Hraban. »Er war Decurio, kämpfte im Illyricum.«
»Ich habe davon gehört«, murmelte Cinna.
Der Mann reckte den Kopf noch ein wenig höher, während Hraban fortfuhr. »Die meisten dieser Männer bildeten einmal mehrere Züge in einer Hilfstruppe. Inzwischen sind noch einige Jüngere eingegliedert worden.«
Cinna musterte die Krieger aufmerksam; sie standen schon eine ganze Weile in angespannter Haltung da, nur die Pferde nickten manchmal mit dem Kopf, schnaubten oder scharrten mit einem Vorderhuf. Zumindest waren die Männer in der Lage, eine Zeit lang vollkommen still zu stehen. Er wandte sich Waihtis zu, der seine Kiefer so sehr aufeinander presste, dass die Kinnladen anschwollen.
»Du glaubst, dass er uns helfen kann?«, knurrte Waihtis zu Hraban, laut genug, dass Cinna es hörte.
»Er war beim Neubau der Palisade von Nutzen, also wird er auch hier gute Dienste leisten.«
»Er gehört zu den Unterlegenen – das macht ihn untauglich für gute Dienste. Immerhin haben wir sie fertig gemacht und nicht umgekehrt.«
Ein Windstoß fuhr in die Wimpel und Bänder, die an den Spießen befestigt waren.
»Ohne Sigimers’ sauberen Plan und den Regen, den Thunaras zu unserem Heil schickte –«
»Es war nicht Sigimers’ Plan, es war der des Ermanamers!«, fuhr Waihtis dazwischen.
»Darüber streiten die beiden nun schon seit jenem ruhmreichen Sieg.« Der Spott in Hrabans Stimme war kaum zu überhören. »Immerhin war es Ahtala, der eine entscheidende Rolle dabei spielte. Und Ahtala ist einer unserer Männer – einer unserer tapfersten.«
»Und dieser Mann hier sollte nicht wissen, wie unsere Krieger kämpfen.«
»Weil er eines Tages zu seinen Leuten zurückkehren wird?«
»Nein, Inguhraban, Inguiotars Sohn, sondern weil er deinem Bruder als Beute zugefallen ist und deinem Vater als Besitz.« Waihtis schnäuzte sich vernehmlich. »Er ist kein Offizier, er ist ein Knecht. Meinetwegen soll er den Männern beibringen, wie man mit den römischen Schwertern umgeht, die Ermanamers uns versprochen hat. Das ist aber auch alles.«
Cinnas Augen wurden schmal. Er hätte Hraban gerne gesagt, was er über dessen Vorhaben dachte, diese Krieger in Augenschein zu nehmen und was immer sich sonst daraus ergeben würde, was er vom ersten Moment an gedacht hatte, und dass er vom Scheitern dieses Plans überzeugt gewesen war, schon ehe sie den Weg hierher angetreten hatten.
»Vielleicht solltest du meine Fertigkeiten erst einmal einer Prüfung unterziehen, Waihtis, Sohn des … wie war sein Name?«, entgegnete er kalt.
Unter den Brauen funkelte es. »Das ist nicht nötig. Inguhrabans Lehrer ist zweifellos gut genug, um diese Männer auszubilden.«
»Halt mal!« Hraban schob sich zwischen sie. »Es würde genügen, wenn er Ahtala alles zeigt, und dieser dann die anderen drillt. Ich bin bereit, meinen Ausbilder mit deinem ersten Mann zu teilen, aber mehr kannst du nicht erwarten. Wie sollte er dafür sorgen, dass ich mich verbessere, wenn er für jeden unserer Krieger bereitstehen muss?«
Brummend zog sich Waihtis einen Schritt zurück.
»Wenn du ihn beeindrucken willst«, Hrabans Daumen wies zurück auf Cinna, der noch immer an der bitteren Beleidigung schluckte, »dann zeig uns lieber, was unsere Männer können.«
Die Darbietungen der Krieger erweckten Cinna eine Ahnung davon, wozu diese Truppen imstande waren, welch einen Verlust die Rebellion darstellte – ganz
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