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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Tag, als ich ihn herbrachte«, erwiderte Liuba. »Sie sind wie Hunde.«
    »Ich meine dich, mein Sohn!« Ihr Arm beschrieb einen weiten Bogen, schien die neugierigen Dorfbewohner am Tor umfassen zu wollen. »Musst du allen zeigen, dass der Zorn dich beherrscht und nicht du den Zorn?«
    Cinna riss einen sauberen Fetzen aus den Resten seines Hemdes und tupfte vorsichtig Blut und Schmutz von Saldirs Knie, während sie auf den Lippen kaute, bis sie weiß wurden. Dann strich er ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und nahm ihre Hand, die sich fest in seine schmiegte. Als Thauris ihn hieß, das Mädchen zum Haus zu bringen, gehorchte er, ohne zu zögern.
    »Du lässt ihn …« Liuba schnappte hörbar nach Luft. »Hat er es also bereits geschafft, mir Mutter und Schwester zu entfremden!«
    Er erhielt keine Antwort; Thauris schnaubte nur vernehmlich, ehe sie sich von ihm abwandte.

XVIII
    Am folgenden Tag befahl Liuba seiner Frau in herrischem Ton, ihm das Nötigste zu packen, ließ seinen Rotschimmel satteln und brach nach kurzem Abschied auf. Während Inguiotar die Brauen zusammenzog und die Falten sich tief in seine Stirn gruben, schien Gunthis den Weggang ihres Mannes mit Erleichterung aufzunehmen. Noch ehe der Wald ihn und sein Pferd verschlungen hatte, schlüpfte sie aus den Schuhen und eilte mit dem Watschelgang einer Schwangeren ins Tal hinunter.
    Wenig später – Cinna empfand noch den warmen Nachhall tiefer Dankbarkeit über den Willen der Götter – stob Inguiomers auf einem der Pferde davon, als sei ein Daimon hinter ihm her. Kaum war der Hufschlag verklungen, entwand Hraban Cinna den Besen und schob ihn vor sich her zum Tor hinaus. Hinter ihnen trottete der dunkeläugige Junge mit dem Muli, das mit Taschen für Waffen und Rüstungen beladen war, aus dem Packgurt ragten einige Wurfspeere. Ein paar knappe Rufe, und die waffenfähigen Männer schlossen sich ihnen an, obgleich nicht ohne Murren.
    Sie trafen die übrigen Krieger unterhalb des Wehrdorfes, ein ungeordneter Haufen, vor dem Inguiomers sein Pferd hin und her traben ließ. Als sie sich näherten, rammte er dem Schimmel die Fersen in die Flanken, dass der mit weiten Sätzen auf sie zustürmte. Mit scharfem Zügelzug wollte der Junge das Pferd vor ihnen zum Stehen bringen, doch es riss den Kopf hoch und bockte. Cinna machten einen einzigen Schritt auf es zu, hob beide Hände und stieß einen hellen Laut aus. Der Schimmel sprang ihm schier an die Brust, kam erst dicht vor ihm zu stehen. Als Cinna den Arm um seinen Hals legte, um beruhigend über das glatte Fell zu streichen, senkte das Pferd schnaubend den Kopf.
    »Willst du deine Feinde niedertrampeln?«, fragte er Inguiomers, der mit hochrotem Gesicht heruntersprang und seinem Blick auswich. Ein leiser Klaps, und der Schimmel drehte sich um und folgte seinem Reiter zu Hraban, der sich sichtlich bemühte, nicht zu lachen.
    Es würde Inguiomers’ erster wirklicher Fechtgang mit Cinna werden. Er hatte bisher nur einige Übungen mit der Waffe absolviert und spielerische Kämpfe gegen seinen Bruder ausgetragen. Cinna wusste sich aufmerksam beobachtet, als er mit Hraban dessen ärgste Schwächen durchging, wie sich Paraden in Angriffe verwandeln ließen, ohne die Deckung aufzugeben. Verschwitzt und mit aufgeschürftem Handgelenk, aber zufrieden mit Hrabans Fortschritten wandte er sich dem Jungen zu, dessen Augen ihm entgegenfunkelten.
    »Du blutest«, sagte Inguiomers, mit seiner neuen, noch ungewohnten Stimme, die, wenn er nervös wurde, leicht wieder in den kindlich hellen Ton verfiel.
    Cinna winkte ab; er kannte diese Art von Blessuren, er schätzte sie beinahe, weil sie ihn warnten, dass er leichtsinnig wurde, dass er zu viel Rücksicht auf Hrabans Schwerfälligkeit nahm und dann dessen größere Kraft spürte. Gegenüber Inguiomers würde er weit mehr Zurückhaltung üben müssen, obendrein musste das unmerklich geschehen, weil nicht zu übersehen war, wie rasch der Junge schmollte. Inguiomers stellte sich keineswegs ungeschickt an; nur selten unterbrach Cinna die Bewegungsfolgen, um seine Haltung zu korrigieren, ihm etwas zu zeigen. Der Junge tanzte geradezu mit dem kurzen Holzschwert, erzwang flinke Rückzüge und überraschende Vorstöße, die er mit dem Schild aufzufangen und abzulenken lernte. Er war begabter als Hraban, vielleicht sogar begabter als Liuba.
    Schließlich hieß Cinna ihn warten und ging über die inzwischen niedergetrampelte Wiese zu Hraban, der sich in einiger Entfernung

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