Der Tribun
Ich erwarte, dass du zu Boden schaust und mich fragst, womit du mir dienlich sein kannst.«
Schweigend hielt Cinna diesen Augen stand, die ihm lange Zeit Schauer über den Rücken gejagt hatten. Ihr Schrecken schien gemindert, seitdem Liuba wieder in sein Vaterhaus zurückgekehrt war.
»Die Latrine muss wieder einmal ausgehoben werden.«
Sie hatten ihn schon lange nicht mehr zu dieser scheußlichen Arbeit herangezogen, seit jenem unheilvollen Tag, als Arminius ihn hier, auf Inguiotars Versammlungsplatz und Gerichtsstätte, einer Befragung unterzogen hatte.
»Du gehorchst, oder du wirst Napf und Lager mit einem Hund teilen, solange du lebst!«, dröhnte Liuba.
Cinna stand regungslos vor ihm, und weder schlug er die Augen nieder, noch wich er zurück. Obwohl der Schlag ihn nicht unerwartet traf, taumelte er, als er aber bemerkte, wie Liuba mit einem zischenden Laut seine Hand schüttelte, konnte er das Grinsen nicht unterdrücken. Die andere Hand fuhr hart in sein Hemd, schnürte es ihm am Hals zusammen.
»Du verdienst die Peitsche – nein, Besseres: Man sollte dich mit dem glühendem Eisen brandmarken!«
»Nur zu«, keuchte Cinna trotzig.
Liuba stutzte, dann zerrte er Cinna zum Gatter. Cinna versuchte, die Fersen in den Boden zu stemmen, die Faust aus dem Hemd zu ringen, den Peiniger von sich zu stoßen. Aber er erntete nichts als eine Ohrfeige und einen Tritt, der seine Knie knickte, so dass er benommen über den Hof geschleift wurde. Auf halbem Wege ertönte ein spitzer Schrei, hastige Schritte wirbelten Staub auf, Hände klammerten sich um Liubas Gürtel.
»Lass ihn los!«, gellte Saldirs Stimme, überschlug sich beinahe. »Lass ihn sofort los!«
Ohne auch nur stehen zu bleiben, schüttelte Liuba sie mühelos ab und marschierte weiter. Am Tor liefen ein paar Frauen und Kinder zusammen. Das Mädchen rannte ihm nach, griff nach ihm und verlor den Halt, und um nicht zu stolpern, musste sie von ihm ablassen. Aber sogleich krallten sich ihre Finger wieder in seinen Umhang. Jählings hielt er inne, fuhr herum und stieß sie weg, dass sie einige Schritte rückwärts wankte. Doch bevor er sich wieder abwenden konnte, warf sie sich erneut auf ihn.
»Das wirst du nicht tun, Liuba! Ich verbiete es dir!«
Als er auf der Stelle verharrte und sie verblüfft anstierte, nutzte Cinna die Gelegenheit, um sich mit einer schnellen Drehung zu befreien. Sofort flog der erfahrene Kämpfer herum, seine Faust traf Cinna in die Magengrube, dass er wie brechendes Holz zusammenklappte. Knapp verfehlte ihn Liubas ungezielter Fußtritt, dem er nicht mehr hätte ausweichen können.
»Du willst mir etwas verbieten?«, brüllte Liuba, jede Silbe einzeln betonend, so dass noch mehr Menschen sich neugierig am Tor aufreihten.
Saldir war vor ihm zurückgewichen, schluckte, ballte und öffnete die Fäuste, machte dann einen Schritt auf ihn zu. Doch er schnaubte nur verächtlich und drehte sich um, griff nach Cinnas Hemd, das mit einem hässlichen Laut zerriss. Cinna hörte Saldirs Stimme, ohne ein Wort zu verstehen, sah, dass sie Liuba anfiel wie ein Hündchen einen Bären, dass sie zu Boden geschleudert wurde. Als er ihren Schrei hörte, war ihm, als erwache er aus einem Traum.
Nicht sie.
Zorn entlud sich in ihm, raste bis in die Fingerspitzen und sprengte die Lähmung, die ihn eingeschnürt hatte. Kaum auf den Füßen, war er bei dem Kind, umschlang es, dass sein Körper zu einem Schild wurde gegen Liuba. Nicht sie!
»Rühr sie nicht an!«, fauchte Cinna, ohne sich umzuwenden.
Schmerzhaft drückten die Steinchen sich in seine Knie, während Saldir betäubt in seinen Armen hing. Einige Atemzüge lang bebte bedrohliche Stille über dem Hof.
»Du willst mich davon abhalten, meiner Schwester aufzuhelfen?«
Liuba packte Cinnas Schulter, als Saldirs Stimme von neuem über den Hof gellte. Verbissen klammerte sie sich an Cinna, um ihren Bruder daran zu hindern, ihn wegzureißen.
Thauris näherte sich, und mit ihr Margio, der eine Mistgabel umklammert hielt – mehr um sich daran festzuhalten. Liuba ließ ab, ohne sich von der Stelle zu rühren. Zitternd rappelte Saldir sich auf, ohne Cinna loszulassen, was ihn nötigte, mit ihr aufzustehen. Sie hob den Rock bis zum Knie, entblößte eine Schürfung, aus der hellrotes Blut quoll. Dunkel rann es aus einem verschmutzten Schnitt am rechten Arm, und Tränen rollten ihre Wangen hinab.
»War das nötig?«, stieß Thauris leise, aber scharf hervor.
»Ich habe euch gewarnt – schon an dem
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