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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Das Feuer glühte wieder auf, rieselte dicht unter der Haut bis in die Fingerspitzen. Seine Wangen wurden kalt, und er ließ den Kopf hängen, damit sie nicht sah, wie fahl er war. Wie dürres Gras. Er sehnte sich danach, seine Arme um sie zu schlingen, seinen Mund auf ihre fein geschwungenen Lippen zu drücken.
    Ein heftiger Ruck schreckte ihn auf. Er zog die Knie an den Körper und rieb sich zerstreut das Gesicht mit den Händen. Als er aufblickte, starrte sie ihn an wie ein wildes, gefährliches Tier.
    »Was hast du gegen Daguvalda?«, übertönte Hraban das Poltern des Wagens. »Er ist ein starker, tapferer Krieger, ein einflussreicher Fürstensohn, dessen Werbung dich und uns ehrt. Und er ist wohlhabend.«
    Als sie herumfuhr, senkte Cinna den Kopf, um sich schläfrig zu stellen.
    »Er ist ein Klotz«, fauchte sie und zupfte nervös an ihren Ärmeln.
    »Jedes Wesen hat seinen Platz, den es ausfüllen muss. Auch du«, erwiderte Hraban.
    Verächtlich schnaubend schleuderte sie einen Kiesel, den sie im Wagen gefunden hatte, ins Gebüsch. Cinna blinzelte durch die Wimpern. Sie hatte sich aufgerichtet und kniete auf der Ladefläche, die Arme auf die vordere Wand des Karrens gestützt, um vorauszublicken in die dunstigen Wiesen.
    »Du bist dumm, Schwesterchen! Überlass dein Leben getrost Vaters Urteil!«, lachte Hraban.
    »Was ist, wenn er sich irrt?«, rief sie ungestüm.
    Hraban blieb stehen, ließ das Pony weitertrotten, bis der Karren ihn erreichte, strahlte sie an und streichelte ihr Gesicht. »Wärst du zufrieden, wenn dir der stärkste und tapferste Krieger seinen Ruhm zu Füßen legte?«
    Unschlüssig befreite sie sich von ihm, drehte sich um und sank auf den Boden des Karrens zurück. Ihre Wangen leuchteten vor Wut.
    »Ruhm«, wiederholte sie mit einer wegwerfenden Bewegung. »Darum geht es nicht.«
    Sie hob den Kopf; unversehens waren ihre Augen schutzlos Cinnas Blick preisgegeben, Augen von einem klaren, hellen Grün, das sich zu den Rändern hin in Grau verlief.
    »Ich wäre des Todes«, flüsterte sie erstickt. *
    Am ersten Tag des neuen Mondes wurde Sunja mit Daguvalda rechtmäßig verlobt. Im Beisein beider Väter hatten die jungen Leute jene gewichtigen Worte gesprochen, mit denen ihnen ein Ausbrechen aus den Plänen der Alten unmöglich wurde. Sunja hatte der langwierigen Zeremonie mit gesenktem Kopf beigewohnt, hatte unter ihrem weißen Schleier die oft eingeübte Formel mit zitternder Stimme geflüstert, was die Anwesenden als Beweis ihrer Keuschheit auslegen mochten, und dem Bräutigam einen misslungenen Kuss zugestanden. Ahtareths besiegelte schließlich den Bund, indem er das silbern eingefasste Horn segnete, bevor er die beiden daraus trinken ließ.
    Den unausweichlich folgenden Umtrunk floh das Mädchen. Thauris entschuldigte ihre Tochter; schließlich fürchte das arme Kind, wie alle Bräute, nichts so sehr wie den Abschied vom gewohnten Zuhause und ein Leben ohne die schützenden Arme ihrer Eltern und Geschwister. Dagumers verkündete den Trost zahlloser strammer Söhne, die seinen Hof bevölkern sollten, eine Vorstellung, die Cinna Anlass für heimliche Verwünschungen gab.
    Zunehmend priesen die Herren ihre niemals erlahmende Manneskraft wie reiche römische Großgrundbesitzer, die ihre Feste zu vorgerückter Stunde auf ähnliche Weise restlos zu entwürdigen pflegten. Dies war der Zeitpunkt, zu dem er sich in einem anderen Leben mit einer ausgewählten Schönen zurückgezogen hätte. Mangels derartiger Beute beschloss Cinna, die laue Sommernacht noch eine Weile allein zu genießen, vielleicht Reika einen Besuch abzustatten.
    Durch seidig kühle Nebelschleier schlenderte Cinna am Haus entlang, schlug dann den ausgetretenen Pfad ein, der die Wiese dahinter durchzog, bevor er auf der Kuppe stehen blieb. Einige helle Laken hingen schwer von den Leinen, und die waldigen Berge hoben sich schwarz vor dem letzten Schimmer der untergegangenen Sonne ab. In das sachte Rauschen des Waldes mischte sich das ferne Plätschern des Flusses im Tal, vereinzelt durchzittert vom Gurren einer Taube. Licht brach aus den Giebelluken der Häuser, vermischte sich mit aufquellendem Rauch. Auf der Wiese lagen dicht beieinander die Gänse, graubraune Federknäuel. Seine Blicke wanderten über das Gras zu den Holunderbäumchen am Knüppelzaun, wo ein dunkles Bündel kauerte.
    Unentschlossen näherte er sich der Gestalt, die beim Geräusch seiner Schritte ein wenig den Kopf hob. Er erkannte schemenhaft Sunjas Gesicht

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