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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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sich mit großen Schritten, holte mit einer Leine nach ihnen aus, brüllte wie ein Stier. Schleunigst stoben die Jungen auseinander, in den Schutz der Gebäude oder zum Tor hinaus, während Hraban zu dem fuchsroten Pferd zurückkehrte und sich auf dessen Rücken schwang. Mit einer leichten Bewegung wendete er es auf der Hinterhand zum Tor und verließ das Anwesen in leichtem Trab.
    Argwöhnisch umherspähend ließ Cinna sich auf der Bank nieder, presste eine Faust auf den schmerzenden Oberschenkel, prüfte mehrmals, ob die Wunde nässte. Er war auf sich gestellt – nicht zum ersten Mal in seinem Leben, wie er grimmig feststellte. Als er sein Studium an der Akademeia vorzeitig abgebrochen hatte, hatte er sich unter die vielen reichen jungen Nichtsnutze gemischt, die in Athen ihre Zeit und das Geld ihrer Väter allabendlich mit mittelmäßigem Wein, schlechten Gedichten und käuflichen Mädchen oder Knaben vertaten. Er hatte sich treiben lassen, bis eine verunglückte Wette, ein verlorener Schaukampf gegen den Leibwächter eines dieser Spießgesellen seinen Ehrgeiz wieder erweckt hatte. Anstatt sich mit Leibwächtern zu umgeben, hatte er sich Lehrer gesucht im Umgang mit Waffen, denn die Befähigung, sich verteidigen zu können, wehrhaft zu sein, berauschte ihn. Er hatte sich auf den Übungsplätzen getummelt, bis er jeden der gedungenen Leibwächter zumindest in Schach halten konnte. Er hatte zunehmend als eigen gegolten und war immer öfter scheel angeschaut worden, bis er beschlossen hatte, dem Wunsch seines Vaters zu entsprechen und sich um einen Offiziersposten zu bemühen.
    Genutzt hatte es ihm nichts. Schon der Schrecken des Hinterhaltes, der erste Treffer hatten ihn völlig kampfunfähig gemacht. Obwohl er zuvor fast jeden spielerischen Gang für sich entschieden hatte, war er in diesem jenem Gefecht besiegt worden. Und nun saß er in diesem schmutzigen Dorf fest, in dem sogar die Kinder ihm Bedrohung waren. Ohne Hoffnung auf Befreiung, wenn das wahr war, was Riese berichtet hatte.
    Wenn das wahr war.
     
    Sie ließen ihn in Ruhe.
    Sechs Tage verbrachte er untätig, verkroch sich des Abends zwischen den Decken, damit ihn keiner der stinkenden Barbaren belästigte. Allnächtlich fiel er nach langem Wachen in einen ruhelosen Erschöpfungsschlaf, aus dem ihn jedes kleine Geräusch aufschreckte, sogar die beinahe lautlose Hüterin des Feuers, die Sklavin, die jede Nacht noch spät durch die knarrende Pforte hereinhuschte, neben dem Herd niederkniete, um ein weiteres Scheit aufzulegen und die Glut vorsichtig neu anzufachen. Die Mädchen plapperten und kicherten vor dem Einschlafen, der jüngste Sohn träumte lebhaft, und Riese schien durchaus empfänglich für die schwindende Schönheit seiner Frau zu sein.
    Nachdem sie den Gefangenen schon vor Sonnenaufgang hinausgescheucht hatten, erhob sich am siebten Tag eine ungeahnte Betriebsamkeit. Die Frauen schleppten kübelweise Wasser zum Haus, was Cinna verriet, dass sie eine Art Badetag abhielten, und er bedauerte es beinahe, nicht eine Maus zu sein, die sich hineinschleichen und Zeuge des harmlosen Vergnügens werden konnte.
    Am Vortag war ein Botschafter auf einem völlig erschöpften Pferd eingetroffen, der dem Riesen eine offenbar wichtige Nachricht mitgeteilt hatte, nicht ohne immer wieder nach dem Gefangenen zu spähen.
    Unversehens stand Rieses jüngster Sohn vor ihm, gehüllt in etwas, das die Barbaren wohl für ein Festtagsgewand hielten: Aus weißen Bundschuhen ragten weiße Hosenbeine, an deren Außenseite eine bestickte Naht hinauflief; darüber hing ein kurzer weißer Kittel, den ein farbenfroher Ledergürtel raffte. Der trotzig blickende Knabe bedeutete Cinna mit einer unmissverständlichen Geste, ihm zu folgen.
    Vor dem Eingang des Hauses erwartete ihn die Herrin mit vor der Brust verschränkten Armen. Hinter ihr erschien die Tochter, deren helles, auf den Schultern mit goldenen Fibeln gehaltenes Kleid unter der Brust kreuzweise gegürtet war. Sie war mit goldenen Ohrgehängen geschmückt und ebensolchen Armreifen, die sich schlangenförmig ihre Oberarme hinaufringelten. Um den Hals trug sie einen dünnen goldenen Reif und eine Kette aus geflochtenem Golddraht, an der kleine Tropfen klingelten. Das zu zahllosen dünnen Zöpfen geflochtene Haar war kunstvoll aufgesteckt, ihre Augen betonte schwarzer Lidstrich, ihre Lippen ein grelles Rot. Er hatte nicht erwartet, eine derartige Pracht an einer Barbarin zu sehen. Erst jetzt bemerkte er, dass unter dem

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