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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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niederzubrennen und unsere Äcker in Besitz zu nehmen. Und die Geister unserer Toten haben uns gepeinigt mit dem Ruf nach Rache.«
    Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sie sich um und schritt ohne Hast davon.
     
    Bis die Sonne den höchsten Punkt ihrer Bahn erreichte, lag Cinna auf der Bank bei den Apfelbäumen, damit beschäftigt, runde Kiesel in kleine Erdkuhlen rollen zu lassen, während um ihn die Menschen ihrem Tagewerk nachgingen. Dem verächtlichen Tagewerk der Bauern. Bei aller Langeweile zwang er sich wach zu bleiben, denn in seinen wirren Tagträumen wurden Legionäre im Pfeilhagel durchbohrt, von johlenden Wilden mit Keulen und Beilen abgeschlachtet, Pferde geraubt, Kettenhemden, Helme und Schwerter im Siegestaumel davongeschleppt. Er sah Flüchtige mit angstirren Blicken durch Unterholz huschen, sah bluttriefende Häupter in Baumhöhlen und Astgabeln, Leichen an hohen Ästen aufgehängt, mit stieren Augen und herausquellenden Zungen. Alles Sträuben gegen die scheußlichen Bilder schlug fehl. Wilde brachen aus dem Gebüsch zu beiden Seiten des Hohlweges. Ein harter Stoß traf jäh seinen Oberschenkel. Der Schaft eines Wurfspießes ragte zwischen den schützenden Streifen des Schurzes auf. Cinna spürte, wie der Schrei in seiner Kehle erstarb. Fäuste krallten sich in seinen Mantel, um ihn zu Boden zu zerren. Er packte das Schwert, stieß nach dem Gegner. Der Speerschaft brach krachend. Heiß durchzuckte ihn der Schmerz, warf ein schwarzes Netz über ihn. Ein Schlag gegen die Schulter machte ihn schwindeln. Das Pferd bäumte sich auf und schüttelte ihn ab.
    Er sah ein verzerrtes Grinsen über sich, flackernde Augen, gefletschte Zähne. Hörte sich aufheulen, als der Wilde unter zähem Knirschen seinen Stiefel auf das getroffene Bein stemmte. Angst durchjagte ihn, Gewissheit des Todes, Schreie, Stöhnen ringsumher. Er bäumte sich auf gegen den lachenden Mörder, wacher denn je zuvor. Seine Hände wollte er flehend erheben, als ihn ein Schlag an der Schläfe traf.
    Er schrak auf, starrte geblendet in das funkelnde Sonnenlicht, das Astgewirr und den weißen Himmel darüber. Das Herz pochte in seinem Hals. Er setzte sich auf und barg das Gesicht in den Händen, als eine Windböe über seinen Nacken fuhr und ihn frösteln ließ. In den Gesichtszügen des Kriegers, der ihn überwältigt hatte, erkannte er eine vage Ähnlichkeit mit dem Riesen, doch nicht in den Augen, deren Bild in sein Gedächtnis gemeißelt war wie eine Weihinschrift in einen Altar, helle, kalte Augen, die niemand hier hatte.
     
    Auf der Koppel kümmerte sich ein dicklicher Kerl um die Pferde, der schmutzigen, vielfach geflickten Kleidung nach ein Sklave. Er hatte Mühe mit einem lebhaften Fuchs, der ihn umtänzelte und sich nur widerwillig aufzäumen ließ, einem Pferd, das sich in seiner stolzen Haltung von den anderen unterschied wie Achilles von seinen Myrmidonen.
    Hraban schlenderte über den Hof und bedachte Cinna im Vorübergehen mit einem Grinsen. Über dem weißen Kittel trug er einen mit bunten Fransen und Troddeln besetzten Mantel, und das hellbraune Haar war über dem linken Ohr zu einem Knoten aufgedreht. Als er leise durch die Zähne pfiff, merkte der Fuchs auf, schnaubte und trabte mit hoch erhobenem Kopf und wehendem Schweif zum Gatter – hinter ihm schimpfte der Sklave.
    Von Hraban ließ sich der Fuchs geduldig festhalten, während der Sklave eine farbenfrohe Decke auf den Pferde rücken warf und darüber den Sattel legte, den Cinna unschwer als römisch erkannte. Er fröstelte bei dem Gedanken, die Barbaren könnten ihn in der Schlacht erbeutet haben, doch dann entsann er sich, dass Hraban sich, im Gegensatz zu seinem Vater, in der letzten Zeit auf dem Hof aufgehalten hatte.
    Helles Johlen ließ Cinna aufschrecken; ein Rudel Kinder brach aus einem Hinterhalt, Jungen, bewaffnet mit dünnen Spießen und Reisigbündeln, die um ihn herumwirbelten, angeführt von Rieses jüngstem Sohn, der Cinna bislang kalt ignoriert hatte und jetzt ein langes, roh geschnitztes Holzschwert schwang. Schon hatten sie Cinna umzingelt, zerrten ihn in ihre Mitte, trieben ihn mit Schlägen und Stößen auf den Platz, den Schrecken ausnutzend, der ihn lähmte. Vergeblich versuchte Cinna, ihnen zu entkommen, er stolperte, schlug hart auf dem Boden auf. Seine Lippen öffneten sich zu einem wütenden Schrei, als er einen scharfen Pfiff hörte, dann einen ebenso scharfen Befehl, der die Bande zurückschrecken ließ.
    Hraban näherte

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