Der Tribun
dunklen Mantel der Mutter ebenso weiße Schuhe aus durchbrochenem Leder hervorlugten. Sie hatte die üblichen Bronzefibeln gegen silberne ausgetauscht, und goldene Nadeln ragten aus ihrem Haarnetz. Sogar Saldir, die über den Hof tänzelte, war herausgeputzt.
Es war Neumond, vielleicht ein Fest zu Ehren grausiger Götter. Ein kalter Schauer rieselte Cinna bei diesem Gedanken über den Rücken, eine unbestimmte Angst, die zu ahnen meinte, warum er gerufen worden war. Die Tochter schob sich an ihm vorbei. Während er sich noch nach ihr umschaute – beschämt über den schmutzigen Rock, den er noch immer trug –, packte ihn jemand von hinten am Oberarm und führte ihn hinter das Haus. Dort stand ein windschiefer Verschlag, ein winziger, ungenutzter Schuppen, der das Ziel ihres Weges war. Hraban, der ihn hierher geschoben hatte, machte einen entschlossenen Eindruck, als er einen Lederriemen aus dem Gürtel zog. Die knochigen Finger seiner Mutter deuteten auf die niedrige Tür des Verschlages, und ihr Blick wanderte von dort zu dem Gefangenen und wieder zurück, ein unmissverständlicher Befehl. Cinna schauderte. Er sollte eingesperrt werden.
Er war römischer Bürger, durch Gesetz geschützt vor Fesselung, Inhaftierung und Züchtigung. Er war seit der Annahme der Männertoga niemals eingesperrt worden. Er war ein Gefangener, eine Geisel, kein tumber Sklave, den man wie ein Tier in einen Käfig sperren konnte. Scheinbar teilnahmslos wühlte er mit den Zehen im Staub und schaute in die scharfen Augen der Frau. Dann schüttelte er den Kopf.
Jäh traf ihn ihre Hand im Gesicht, eine kurze, rasche Bewegung, die er nicht hatte kommen sehen. Wut und Scham glühten auf seinen Wangen. Er hätte sich auf sie gestürzt, wenn ein harter Griff ihn nicht zurückgerissen hätte.
»Rühr deine Herrin nicht an!« zischte Hraban neben ihm. »Gehorch und schweig!«
Er drehte Cinna die Arme auf den Rücken und schubste ihn in den geöffneten Verschlag. Frisches Stroh war darin aufgeschüttet, saubere Decken darüber gebreitet, und in der Ecke stand ein Topf mit Deckel. Die niedrige Pforte wurde mit einem heftigen Stoß zugeworfen, mit mehreren bereitliegenden dünnen Baumstämmen verrammelt, und erst nachdem sie mehrmals prüfend an dem Gerüst gerüttelt hatten, entfernten sich ihre Schritte.
III
Im Schatten der Apfelbäume kauerte Cinna auf der roh gezimmerten Bank und grub die Fingernägel in die Ärmel seines Waffenrocks, während er Racheträumen nachhing, die ein gärender Zorn in ihm hervorbrachte. Leichte Schritte näherten sich, doch er verharrte mit gesenktem Kopf und verweigerte die geringste Andeutung eines Grußes.
»Meine Mutter möchte dich sehen.«
Die Stimme bestätigte seine Vermutung, dass sie Sunja vorgeschickt hatten; sie klang überraschend kleinlaut, so dass er aufhorchte.
»Es tut uns Leid«, murmelte sie nach einer Weile. »Wir wollten dich nicht verletzen, aber wir konnten dich nicht mitnehmen.«
Er warf den Kopf in den Nacken, starrte sie böse an. »Und da habt ihr mich einfach in diesen … Pferch gesperrt wie ein Tier?«
»Es gab keine andere Möglichkeit.«
»Weil ich sonst geflohen wäre?« Ohne eine Antwort abzuwarten, erhob er sich und klopfte den schäbigen Umhang ab. »Worauf ihr euch verlassen könnt.«
»In deinem Zustand?«, versetzte sie lächelnd. »Du würdest nicht weit kommen.«
Sie hatte Recht: Die Folgen der Verletzungen hatten ihn geschwächt und behinderten ihn noch immer. Vergeblich suchte er einen spöttischen Zug in ihrem hübschen Gesicht, als sie ihn nun mit einem einladenden Wink folgen hieß.
Sie betraten das Haus durch die Tür in der dem Hof zugewandten Längsseite. An die vom Flackern des Herdfeuers durchzuckte Finsternis gewöhnten sich seine Augen, nicht jedoch an den Qualm, der ihm entgegenschwebte, als er den Hauptraum betrat. Die schmale, hoch gewachsene Herrin erschien durch einen Vorhang aus dem Dunkel einer Nische, trat zu ihnen und betrachtete ihn eine Weile mit schräg gelegtem Kopf, ein fast unmerkliches Lächeln in den hellen, wachen Augen. Dann ging sie zum Tisch und brachte von dort einen kleinen irdenen Krug, aus dem sie eine klare rote Flüssigkeit in einen Becher goss. Als sie ihm diese anbot, erkannte er den schweren, süßen Duft von Wein, den er seit einer endlosen Reihe von Tagen nicht mehr gerochen, geschweige denn getrunken hatte.
Mit beiden Händen umschloss er das Gefäß, als er es zum Mund führte, und atmete den Duft des Weines tief ein,
Weitere Kostenlose Bücher