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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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rann Cinna über Stirn und Schläfen, als er sich gegen den übermächtigen Druck stemmte, während um ihn Gelächter dröhnte. Der Mann verpasste ihm einen Fußtritt, der ihn von den Beinen riss, und stieß ihn mit dem Gesicht in den Schmutz, dicht neben das hingeworfene Brot.
    Sichtbar genoss Liuba die Demütigung des gefangenen und versklavten Feindes, dem der Sand scharfe Male in die Wange presste. Der Krieger hatte das Brot aufgehoben und hielt es Cinna vor die fest aufeinander gebissenen Kiefer. Niemand würde ihn zwingen, Dreck zu essen. Er hörte Thauris’ Stimme, die den Sohn zügeln wollte, hörte Liubas spöttische Erwiderung, den Knecht doch das Brot essen zu lassen, denn niemand verwehre ihm, Liubagastis, Inguiotars Sohn und Enkel des tapfersten aller Cherusker, die Freude, einen edlen Römer zu Gast an seiner Tafel zu haben.
    Ein Schatten fiel über Cinna; der Peiniger hob zögernd seinen Fuß, während leises Murren aufquoll. Hrabans Hand umschloss Cinnas Arm und zog ihn auf die Füße.
    »Nur du, mein Bruder, wagst es, mir eine Freude zu verderben?«, fauchte Liuba.
    Ohne den Zorn in Liubas Stimme zu beachten, schob Hraban Cinna vom Tisch weg.
    »Er ist ein Unfreier, Liuba«, sagte er sehr ruhig. »Er soll arbeiten auf diesem Hof, nicht dir als Spielzeug dienen. Befiehl ihm, wenn du eine Aufgabe für ihn hast, aber nicht, um dich an deinem Sieg zu weiden!«
    Zögernd schickte Cinna sich an, sich zu entfernen, da fuhr Liuba ihn an. »Wer hat dir gestattet zu gehen?«
    Der Blick des Gefangenen ließ den blonden Hercules erstarren. Es war sehr still. Die beiden Männer, die sich unterschieden wie Tag und Nacht, rührten sich nicht. Giftige Luft schwebte zwischen den Brüdern. Langsam hob Liuba den Becher. »Er soll mir –«
    »Es ist genug, mein Sohn.« Inguiotar hob die Hand und Hraban nutzte die Gelegenheit, um Cinna fortzuzerren.
     
    Auf dem Hof umfing sie die nächtliche Kälte und ließ die Haut leise prickeln. Cinna atmete schwer, den Blick gen Himmel richtend, wo ihm die Sterne in ewig gleicher Ordnung entgegenblinkten, teilnahmslose Zeugen aus einer anderen Welt. Er stieß den Atem zwischen den Zähnen hervor. Das Gelächter der Festgesellschaft schwappte in die Nacht hinaus.
    »Ich werde ihn töten.«
    »Vergiss nicht, dass er mein Bruder ist«, knurrte Hraban. »Ich schlage vor, dass du dich von ihm fern hältst.«
    »Wie denn? Er scheint überall zu sein! Ich kann mich nicht einmal um mich selbst drehen, ohne diese hässliche Fratze –«
    »Vergiss nicht, dass er mein Bruder ist!«
    »Soll ich vergessen, dass er mein Leben vernichtet hat? Dass er sich auch noch darüber lustig macht?«
    Wieder dröhnte das Lachen der Männer herüber. Cinna atmete tief durch; Zorn glühte in seiner Brust, zwang ihn, die Augen zu schließen, durchzuatmen, als könnte die kalte Luft sich wie ein Tuch auf die Lohe legen und sie ersticken. Hraban zog ihn weiter, über den Hof zur Pferdekoppel.
    »Hüte deine Zunge in meiner Gegenwart, in der meiner Geschwister und Eltern. Und gegenüber dem Gesinde solltest du sowieso den Mund halten!«
    Zwei Gestalten huschten näher. Das Licht einer Lampe schälte Sunjas makelloses Gesicht aus dem Schatten des Mantels. Sie hielt Saldirs Hand. »Was macht ihr hier?«
    »Da fragst du noch?«, zischte Hraban. »Hast du nicht gesehen, was Liuba treibt?«
    Sunja hob die Schultern, ließ sie wieder fallen.
    Wieder zupfte jemand an Cinnas Ärmel, diesmal sachter, und er fühlte, wie eine warme, weiche Kinderhand in seine glitt und seine Finger sanft drückte. Sie stand dicht neben ihm, blass, aber mit einem Leuchten in den Augen.
    »Ich bringe Saldir ins Dorf. Sie muss schlafen – aber nicht in dieser … Taberna!« Sunjas Daumen wies auf das Elternhaus zurück, aus dem immer noch Wellen von Geschrei und Gelächter strömten.
    »Ich will noch nicht schlafen!«, protestierte das Mädchen.
    Mit einem Seufzer drehte sich Sunja nach ihr um; Hraban grinste. »Das hättest du dir denken können.«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Sunja ratlos. »In diese Taberna gehe ich heute Nacht nicht mehr.«
    Saldir ruckte an der Hand ihrer Schwester. »Was ist mit der Linde? Wir machen ein Feuer und erzählen uns Geschichten.«
    Warm presste sie Cinnas Hand, wie eine Bitte um Beistand, als er bemerkte, dass Hrabans Blick an ihm herabwanderte, verharrte, ihm wieder ins Gesicht schaute. Er spreizte die Finger, um Saldirs festen Griff zu lösen, spürte, wie sie losließ, als auf Hrabans Lippen

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