Der Tribun
einer ganz besonderen Schule.«
»Ja und? Was wissen sie denn schon darüber?«
»Sie waren …« Rasch schlug sie sich auf den Mund, blickte zu Boden.
»Sie waren …?«
Das Mädchen kaute auf den Lippen. »Nichts. Es ist nichts. Sie wissen davon. Das ist alles.«
»Wovon wissen sie?«
»Woher soll ich das wissen?« Ihr Kopf fuhr hoch, dass die beiden dunkelblonden Zöpfe um ihre Schultern flogen. »Ich bin neugierig. Das ist alles.«
Argwöhnisch runzelte Cinna die Stirn.
»Abgemacht?«, fragte sie mit einem feinen Lächeln im Mundwinkel.
Er nickte langsam.
Noch am selben Tag wurde ihm klar, dass Saldir das kleine Geschäft nicht ohne Billigung der Familie abgeschlossen hatte. Denn als Hraban bald darauf vorüberging, stutzte er nicht, sondern zwinkerte beifällig und grinste. Auch die übrigen Leute beachteten die Veränderung kaum. Nur die Sklavin, die das Herdfeuer hütete, die, mit der Hraban, wenn er sich unbeobachtet wähnte, Liebkosungen tauschte – sie verhehlte ihr Staunen nicht. Als sie Cinna an diesem Tag das Abendessen brachte, strich sie ihm über die Wange und hätte wohl auch ihr Gesicht an seines gelegt, wenn Hraban nicht in eben diesem Moment aufgetaucht wäre. So schob sie sich wie zufällig an ihm vorbei und eilte davon.
*
Eines Morgens überzog die verdorrten Wiesen der silbrige Schimmer des ersten Raureifs, der unter den Sohlen knirschte. Thauris, die Frau des Hofherrn, gestattete Cinna ebenso wie dem anderen Sklaven rohe, lederne Schnürstiefel, an deren strengen Geruch Cinna sich nur schwer gewöhnte. Die klobige Fußbekleidung schmiegte sich keineswegs so weich um die Füße wie die hohen pelzgefütterten Stiefel, die er in Italien getragen hatte, wenn die schneidend kalte Stille seltener Wintertage zu Jagden einlud, wenn Schnee aufspritzte von den Pferdehufen und die Hunde ihr gieriges Belfern ertönen ließen.
Murrend hatte sich der jüngste Sohn, Inguiomers, schließlich dem Willen seiner Familie gefügt und leistete seiner Schwester dabei Gesellschaft, die Sprache der Römer zu lernen. Wegen der Kälte wurde der Unterricht ins Innere des Hauses verlegt, auf eine der Truhen, die an der Wand zum Flur standen und als Bänke dienten. Neben ihnen hingen Inguiotars Waffen. An den Schäften der Lanzen bemerkte Cinna feine Schnitzereien, und der Wolf starrte aus leeren Augenlöchern auf sie herab.
Die grimmige Miene des Jungen zeigte deutlich, dass er diese Schule keineswegs freiwillig auf sich nahm. Wenn er nicht trotzig auf einem der Teppiche hockte, das Kinn auf die Knie gelegt, streckte er sich lässig aus und zeichnete sinnlose Muster auf den trockenen Lehmboden. In seiner Gegenwart nagte Saldir an der Unterlippe, stammelte und brachte keinen einzigen vollständigen Satz zusammen. Cinna jedoch beachtete Inguiomers nicht; manchmal gelang es ihm, die Aufmerksamkeit des Mädchens so zu fesseln, dass die Unruhe von ihr abfiel und sie wieder fröhlich in ihre Hände kicherte. Wenn er dann einen raschen Blick auf den Jungen warf, erkannte er ein sonderbares Glänzen auf dem ebenmäßigen Gesicht.
V
Schrilles Jauchzen scholl vom Tal herauf, Hufschlag und Hundegebell. Reiter sprengten wild durcheinander den Hang herauf. Mit Spießen und Stangen bewaffnet strömten die Dorfbewohner auf den Wegen zusammen. Cinna hatte eine Mistgabel gepackt; er wollte seine Haut so teuer wie möglich verkaufen – gegen wen auch immer.
Doch es gab keinen Kampf, stattdessen Jubelrufe, als Reiter auf den Hof stürmten, üble Gesellen auf schlanken Pferden, die grölend Lanzen und Schilde, Schwerter und Trophäen schwenkten, während von den Hufen Lehm aufspritzte. Sie trugen rote Waffenröcke zu ihren Hosen und Kettenhemden; Helmbüsche hingen an ihren Gürteln, Wehrgehänge römischer Soldaten von mancher Schulter, und der Anführer, das Gesicht unter der versilberten Maske eines Reiterhelms, reckte in der Faust eine Standarte empor. Entsetzt erkannte Cinna die Fahne, die zu einer Einheit der Siebzehnten Legion gehörte. Gehört hatte. Der Mann lenkte sein helles Pferd geradewegs auf Inguiotars Haus zu.
Unter scharfem Zügelzug stemmte es beide Vorderhufe in den Boden und kam dicht vor der Türe zum Stehen. Betäubt nahm Cinna den Freudentaumel ringsumher wahr; ehe er sich versah, kreisten Schalen und Becher voll schäumenden Bieres unter den Gästen, den Herren und den herbeigelaufenen Leuten ebenso wie unter dem Gesinde. Sie tanzten ausgelassen zwischen den scheuenden Pferden, und die Krieger
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