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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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leerten ihre Becher. Sunja war mit Hraban ins Haus zurückgekehrt, kauerte neben ihm im Gang und sprach leise auf ihn ein, während sie seine Wunden versorgte. Cinna beobachtete jede ihrer Bewegungen, seitdem der Bruder eine Versöhnung beschworen hatte, die wohl mehr der Sitte entsprach als seinem Wesen.
     
    Allmählich tat das Bier seine einschläfernde Wirkung. Das Brautpaar war von Thauris und einem grauhaarigen Mann – wohl einem Priester – gesegnet und unter einem Regen von Anzüglichkeiten für die Nacht verabschiedet worden. Cinna fiel die Arbeit zunehmend schwerer, immer wieder stolperte er über seine wunden Fußknöchel, während er unter den betrunkenen Barbaren umherging; die Sticheleien drangen nur noch gedämpft an seine Ohren. Nach anfänglichem Widerstreben schlürfte er nun gierig das schale Zeug, das Swintha ihm gelegentlich gab, und nach einer Weile achtete er nicht mehr darauf, was er trank und wie viel.
    Auf unsicheren Beinen verließ er das Haus und zog in der frostigen Dunkelheit den Mantel enger um die Schultern. Die kalte Luft verschaffte ihm eine trügerische Klarheit. Wenigstens für kurze Zeit wollte er der lärmenden Festgesellschaft entkommen.
    Ein schnüffelnder Laut und das Rascheln von Leinen ließen ihn aufhorchen; Neugier trieb ihn, dem Geräusch zu folgen. Er bog um die Ecke des Hauses, als er gegen eine Frau prallte, die einen Krug vor dem Leib hielt, das Gleichgewicht verlor, und um nicht zu fallen, ihre Hände in seinen Umhang krallte. Das irdene Gefäß zerplatzte auf einem Stein, und sein Inhalt spritzte umher. Er erkannte Sunjas Augen, nasse, grün schimmernde Sterne, als sie ihm schluchzend um den Hals fiel, ehe er begriff, wie ihm geschah. Verwundert nahm er wahr, dass sie kraftlos an ihm abzugleiten drohte, legte die Arme um sie, hielt sie sanft, spürte sie warm und lebendig, beinahe von Haut zu Haut. Unerwartet und willkommen.
    Sie hielt inne, stand still, als würde ihr bewusst, wer sie da umschlang und an sich drückte. Ihr Rücken straffte sich in frostiger Abwehr, hastig wand sie sich aus seinen Armen, fuhr unwirsch mit einem Zipfel des Schultertuches über ihre Augen. Wie fremde Fingerspitzen fuhr die Kälte unter seinen Mantel, während sie sich wortlos einen Weg an ihm vorbei bahnte, zurück zur Tür.
    *
    In einen klaren, kühlen Morgen hinein erwachte Cinna. Unter dem Bett gingen die Bewohner der Unterwelt ihrem Handwerk nach; riesige Hämmer donnerten auf gewaltige Ambosse im Takt des Blutes, das durch die Schläfen rauschte. Die Beine an den Rumpf gezogen, kauerte er im Stroh, schlang die Decke um die Schultern, bibbernd und von gurgelnder Übelkeit geplagt, und presste die Fingerspitzen an die Stirn. Die Frauen rumorten, ließen Töpfe und Geschirr scheppern, dass es ihm ordentlich wehtat. Ein zwischen Wut und Verzweiflung tönender Fluch tröstete ihn, dass er nicht allein unter den Folgen des vergangenen Abends zu leiden hatte. Tapfer rappelte er sich auf, widerstand dem schwarzen Schleier, der über ihn fiel, und dem Würgen, als er hinaustaumelte. Im Hof hatten sich die Männer der beiden jetzt verschwägerten Sippen versammelt, um sich zu verabschieden.
    Vor dem Haus hockte Margio, das Gesicht in den schaufeigroßen Händen vergraben, ein Schatten seiner selbst. Cinna, der sich müde am Hinterkopf kratzte, berührte seine Schulter, und erntete ein mattes Grinsen.
    Ein letztes Mal kreiste das heilige Horn, bevor die Männer sich trennten und in alle Himmelsrichtungen aufbrachen. Die angenehme Wärme der vergangenen Tage war über Nacht trübkalten Nebelschwaden gewichen. Als der Dunst endlich aufzusteigen begann, hieß Inguiotar Margio und Cinna die Pferde zum See zu bringen und dort zu tränken und zu weiden.
    Bald darauf führte Cinna Liubas Hengst den Hang hinab, gefolgt von Margio, der die übrigen Pferde hütete; er hatte sich an den wortkargen und etwas tumb wirkenden Kerl gewöhnt, der ihn anfangs misstrauisch, dann mit wachsender Verbundenheit als Schicksalsgefährten angenommen hatte und ihm nun wie ein Hund mit freundlicher Anhänglichkeit folgte. Gemeinsam schlugen sie den Pfad zum See ein, wo sie die Pferde laufen ließen.
    Am Ufer entledigte sich Cinna seiner Kleidung und stieg in das Wasser des Sees. Auch wenn die prickelnde Kälte seine Haut rau werden ließ, ging er weiter, bis es ihm an die Hüften reichte, blickte sich rasch um, um sich zu vergewissern, dass Liuba nicht in der Nähe war, ehe er sich vom Boden abstieß und eintauchte

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